Lippert, W. & Meierott L. 2014: Kommentierte Artenliste der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns.


von THOMAS BREUNIG

Lippert, W. & Meierott L. 2014: Kommentierte Artenliste der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. – Selbstverlag der Bayerischen Botanischen Gesellschaft, 407 S.; ohne ISBN-Nr.; Bezugsquelle Bayerische Botanische Gesellschaft e.V., bestellung@bbgev.de

Die bayrischen Botaniker planen – 100 Jahre nach Erscheinen der Flora von Bayern (Vollmann 1914) – eine neue Flora von Bayern. Als ein Baustein dazu verfassten Wolfgang Lippert und Lenz Meierott eine kommentierte Artenliste. Sie enthält Angaben zu 3.438 etablierten und 1.446 noch nicht etablierten Sippen, zu 740 Hybriden und zu 273 Sippen, die irrtümlich für Bayern angegeben wurden oder deren Vorkommen hier zumindest fraglich erscheint. Alles in allem ergibt sich eine für ein Bundesland unglaublich hohe Anzahl von 5.897 behandelten Sippen.

Ein einführender Teil bietet auf 16 Seiten einen kurzen Abriss zur floristischen Erforschung Bayerns und zum Projekt einer neuen Flora von Bayern, Erläuterungen zum Aufbau der Artenliste, eine Karte der Natur­räume Bayerns, sowie 29 Abbildungen zu seltenen oder in Bayern aus­gestorbenen Arten. Abgeschlossen wird das Werk mit einem 29 Seiten umfassenden Literaturverzeichnis. Die Artenliste selbst ist tabellarisch aufgebaut und enthält in fünf Spalten die folgenden Informationen: Status der Sippe, wissenschaftlicher Name mit Autoren und taxono­mischer Referenznummer, deutscher Name; Quellen der Artnachweise und Bemerkungen zu den Sippen sowie schließlich die Angabe, aus welcher der folgenden acht naturräumlichen Regionen Nachweise der Sippe vorliegen: Spessart-Rhön, Mainfränkische Platten, Keuper-Lias-Land, Schwäbisch-Fränkische Alb, Ostbayerisches Grenzgebirge, Molassehügelland, Moränengürtel (= Alpenvorland) und Alpen.

Die kommentierte Florenliste ist eine Fundgrube und enthält viele interes­sante Detailinformationen, zum Beispiel, dass Laburnum anagyroides „forstlich zur Wildfütterung eingebracht“ wird, Crepis pulchra ebenso wie in Baden-Württemberg (BW) in Ausbreitung begriffen ist, Myosurus minimus auch in Stadtparks (Münchner Theresienwiese) auftreten kann, der sich derzeit in BW ausbreitende Plantago coronopus in Bayern mit zwei Unterarten vorkommt, ein „noch nicht gültig beschrieben[er], offenbar weit verbreiteter]er“ „franconia-Typ“ von Valeriana pratensis existiert, oder dass die in BW vom Aussterben bedrohte Veronica acinifolia in Bayern erstmals 1990 nachgewiesen wurde, dort also ein Neophyt ist.

Die Liste regt zum Vergleich und zur Diskussion an. Interessant ist, wie unterschiedlich die Situation mancher Arten im Vergleich zu BW ist, zum Beispiel bei Lathyrus aphaca, Phytolacca americana, Prunus cerasifera oder bei Adonis vernalis, die in fünf von acht Naturräumen nachgewiesen wurde, während sie in BW fehlt. Viele Anmerkungen gelten aber in gleicher Weise für BW, vor allem diejenigen, die Baustellen der floris­tischen Erforschung aufzeigen, etwa dass bei Ranunculus acris subsp. friesianus „Vorkommen, Verbreitung und Status … noch sehr unsicher“ und dass bei Senecio erraticus unbelegte Angaben anzuzweifeln sind.

Diskussionswürdig sind manche Stausangaben, insbesondere zu Arten, die auch kultiviert oder ausgesät werden. Ob zum Beispiel Allium cepa tatsächlich verwildert, scheint ebenso fraglich wie Verwilderungen von Phaseolus vulgaris, Picea pungens oder mancher in Blühmischungen angesäter Arten. In vielen Fällen dürfte es sich nur um Verschleppungen mit Gartenabfällen handeln beziehungsweise um Kulturrelikte, die einmal ein Jahr überdauern. Bei der Formulierung „bisher kaum verwildert“ ist man geneigt (z.B. bei Quercus palustris), sie als Hinweis darauf zu interpretieren, dass noch keine sichere Verwilderung beobachtet wurde. Warum eine Reihe von Arten aufgenommen wurden, die in Bayern nur kultiviert vorkommen und mit der Wildflora nichts zu tun haben – etwa Aesculus flava oder auch Alnus cordata, zu der es heißt „gelegentlich gepflanzt“, erschließt sich nicht.

Taxonomische Referenzen der Artenliste sind im Wesentlichen die Exkur­sionsfloren von Rothmaler (Grundband, Krautige Zier- und Nutzpflanzen), zudem erfolgte ein Abgleich mit einer Reihe nationaler und internationaler Florenlisten. Eine umfassende eigene taxonomische und nomenkla­torische Bearbeitung erfolgte nicht und wäre während der kurzen Bearbeitungszeit wohl auch kaum möglich gewesen. Vielleicht wäre deshalb gleich eine möglichst enge Anlehnung an die bundesdeutsche Taxonomie und Nomenklatur des „Rothmaler“ und des „Verbreitungsatlas der Farn und Blütenpflanzen Deutschlands“ vorzuziehen gewesen. Für die sich im Allgemeinen nicht näher mit Taxonomie und Nomenklatur beschäftigenden Feldbotaniker ist jeder vermiedene zusätzliche Name auf jeden Fall ein Gewinn. Und ob zum Beispiel die Degradierung der Fluss-Hirse (Panicum barbipulvinatum) von einer Art zu einer Varietät von Panicum capillare etwas bringt, außer dass auf die Sippe vielleicht weniger geachtet wird – darf bezweifelt werden.

Alles in allem ist die kommentierte Florenliste aber ein unentbehrliches Nachschlagewerk für alle, die sich mit der Flora Süddeutschlands und angrenzender Regionen beschäftigen. Wie hilfreich wäre es, es gäbe solche kommentierten Artenlisten mit der Darstellung des aktuellen Wissenstands für alle Bundesländer! Es ist sicherlich ein geschickter Schachzug der Autoren, dass sie diese Liste nicht zu perfekt, dafür aber sehr schnell erstellt haben. Genau das regt zu Diskussionen an, zeigt die Kenntnislücken und die Baustellen der floristischen Kartie­rung auf und schafft so zusätzliche Motivationen, sich bei floristischen Kartierungen nicht nur in Bayern zu engagieren.