Oliver Lubrich & Adrian Möhl: 2019: Botanik in Bewegung. Alexander von Humboldt und die Wissenschaft der Pflanzen. – 272 S.; Haupt-Verlag, Bern. [ISBN: 978-3-258-08107-6]


von Siegfried Demuth

Wem es nicht vergönnt ist, abenteuerliche Reisen in ferne Länder zu unternehmen, dem sei dieses Buch empfohlen. „Botanik in Bewegung“ nimmt die Lesenden mit auf die Reisen Alexander von Humboldts von den Anfängen seiner ersten botanischen Aktivitäten an der Bergakademie Freiberg in Sachsen bis zu seiner letzten großen Reise durch Zentral­asien bis an die chinesische Grenze. Im Zentrum steht natürlich die fünf­jährige Forschungsreise in die amerikanischen Tropen zusammen mit sei­nem Freund und Kollegen Aimé Bonpland. Das Buch schildert vor allem die damals neue Sicht- und Arbeitsweise Humboldts zur Erforschung der Pflanzenwelt. War die Linnésche Botanik noch fast rein katalogisierend, so war Humboldt einer der ersten, der die ökologische Feldforschung ein­geführt hat. Auf diesen Wandel spielt der Buchtitel an. Neben dem Sammeln von Pflanzen – das vor allem von Bonpland betrieben wurde – widmete er sich dem Sammeln von Umweltdaten der Orte, an denen sie forschten: geografische Koordinaten, Lufttemperatur, Luftdruck (Höhe), Luftfeuchte, ja sogar das Blau des Himmels wurde gemessen; bein­druckend die Zahl der Instrumente, die beide auf der beschwerlichen Reise mit sich schleppten (besser: schleppen ließen). Neben den sehr unterhaltsam zu lesenden Forschungsabenteuern sind thematisch pas­sende Exkurse eingeflochten, unter anderem zum Drachenbaum (Hum­boldts Lieblingspflanze) und zur Bedeutung Aimé Bonplands, dem „Schattenbotaniker“, für die botanische Erforschung des tropischen Amerika – das Gemälde von Eduard Ender auf S. 68 ist ursächlich für diesen zu Unrecht verliehenen Titel. Ein besonders interessanter Exkurs stellt die auch heute noch bedeutende Rolle von Herbarien im Allgemeinen und das Sammeln und Herbarisieren unter tropischen Bedingungen im Besonderen dar.

Die Forschungsergebnisse der beiden Wissenschaftler spielen auch heute noch eine Rolle. Beispielsweise sind sie für das Nachvollziehen der Klimaerwärmung und der damit verbundenen Veränderung der Vege­tationszonierung in den amerikanischen Tropen eine wertvolle Quelle.

Ausgestattet ist das Buch mit zahlreichen Abbildungen, etwa mehrere der wunderschönen Kupferstiche der von Bonpland und Humboldt gesammelten Pflanzen, mit von Humboldt gezeichneten Landschaften und Vegetationsbildern und dazu vergleichende aktuelle Fotos. Nicht fehlen darf natürlich die wohl berühmteste von Humboldts Grafiken, dem Querschnitt durch die Anden mit der Zonierung der Vegetation, den jeweils typischen Pflanzenarten sowie meteorologischen Angaben zu den Höhenstufen. Die Schönheit und Präzision der Darstellungen beeindruckt, gehörte doch für Humboldt neben der wissenschaftlichen Genauigkeit auch die künstlerische Gestaltung der Abbildungen zur Wissenschaft dazu.

Ein wunderschön aufgemachtes Buch, das nicht nur durch die sehr informativen und gut geschrieben Texte überzeugt, sondern auch durch die reichliche Bebilderung.