Vom Derdinger Horn zum Bernhardsweiher – BAS-Exkursion am 14. Mai 2011


von THOMAS BREUNIG

Naturraum Stromberg-Heuchelberg, 245-310 m ü. NN; TK 6918/42,
R 3485715/H 5434035, Unschärfe 400 m, Kartierstrecke 2,4 km (vormit-tags) und R 3486630/H 5433350, Unschärfe 350 m, Kartierstrecke 1,5 km (nachmittags), Kartierdauer: 3,5 + 1,5 Stunden.
Kartierer: Petra Bauer-Kutz, Thomas Breunig, Dieter Kühnen, Helmut Märtz, Rudi Schneider.

Treffpunkt für die Exkursion war der Parkplatz am Derdinger Horn, wo die Schichtstufe des Schilfsandsteins am Rand des Strombergs spornartig nach Westen in den Kraichgau reicht. Hier zeigte ein interessanter Auf-schluss die Vielfalt der Gesteinsfarben an der Schichtgrenze Schilf-sandstein/Gipskeuper. Die sehr unterschiedlichen Standortverhältnisse im Exkursionsgebiet – bodensaure, podsolige Braunerden im Bereich des Schilfsandsteins, kalkhaltige, tonige Weinbergsböden (Pelosol-Rigosole) im Bereich des Gipskeupers und grundwasserbeeinflusste Böden (Gley, Gley-Kolluvium) im Tal des Bernhardsbachs ließen eine artenreiche Flora erwarten.

Schon auf den ersten Metern zeigte sich eine für den Naturraum Strom-berg typische Flora: Im Saum eines Eichen-Trockenwaldes bodensaurer Standorte (Betulo-Quercetum petraeae) wuchsen Essig-Rose (Rosa gallica), Schwarzwerdende Platterbse (Lathyrus niger), Straußblütige Wucherblume (Tanacetum corymbosum), Nickende Lichtnelke (Silene nutans) und Sichelblättriges Hasenohr (Bupleurum falcatum).
Bevor wir uns den Wald und seine Saumvegetation aber näher ansahen, ging es erst einmal auf dem Weg Richtung Bernhardweiher quer durch den von Weinreben bestandenen Südwesthang des Derdinger Horns. Auf längerer Strecke wird dieser Weg von Trockenmauern aus Keuper-Sand¬steinen begleitet. Im auffälligen Gegensatz zu Mauern aus Buntsandstein traten hier kaum Farne auf – wir fanden lediglich einige Exemplare des Mauerraute (Asplenium ruta-muraria). Artenreich war dagegen die Flora der Mauerkronen und Mauerfüße. Außerhalb der intensiv bewirtschafteten und floristisch wenig interessanten eigentlichen Weinbergsflächen wuchsen hier zahlreiche einjährige Ruderalarten, Ackerwildkräuter und Trockenheitszeiger, zum Beispiel Weg-Rauke (Sisymbrium officinale), Spurre (Holosteum umbellatum), Gewöhnlicher Reiherschnabel (Erodium cicutarium), Stechapfel-Gänsefuß (Chenopodium hybridum), Glänzender Ehrenpreis (Veronica polita), Feld-Kresse (Lepidium campestre) und der für den Stromberg sehr charakteristische Schöne Pippau (Crepis pulchra).

Mehrjährige Ruderalarten wie Sichelmöhre (Falcaria vulgaris) und Dürrwurz (Inula conyzae) waren auf kleine Brachflächen zwischen den Reben beschränkt. Bemerkenswert war die Flora einer Brachfläche bei R 3486015/H 5433840: An einer kleinen Keuper-Felswand wuchs hier ein Speierling (Sorbus domestica), unterhalb davon auf einer kleinen Stein¬halde zwischen reichlich Vierkantigem Weidenröschen (Epilobium tetra¬gonum s.str.) auch das seltene Lanzettblättrige Weidenröschen (Epilo¬bium lanceolatum) sowie einige Exemplare der Kreuzblättrigen Wolfs¬milch (Euphorbia lathyrus) und der Mehligen Königskerze (Verbascum lychnitis).
Überwiegend von Wiesen eingenommen wurde der flachere Hangbereich unterhalb des Wegs. Als Vegetationstyp kam hier die durch Wilde Möhre (Daucus carota) und Bitterkraut (Picris hieracioides) gekennzeichnete Tieflagenform der Glatthafer-Wiese vor. Die Bestände waren recht arten¬reich und die Artenzusammensetzung zeigte die natürlichen Standort¬verhältnisse (wechseltrockene bis wechselfrische basenreiche Tonböden) an. Unter anderem fanden wir hier Knolligen Hahnenfuß (Ranunculus bulbosus), Gewöhnlichen Wiesenbocksbart (Tragopogon pratensis s.str.), Zottigen Klappertopf (Rhinanthus alectorolophus), Flaumhafer (Helicto¬trichon pubescens), Herbstzeitlose (Colchicum autumnale) und Hügel-Erdbeere (Fragaria viridis).

Ein kurzer, steiler Anstieg durch die Weinberge brachte uns zurück zum Derdinger Wald oberhalb des Rebhangs. Teils am Waldrand, teils im Eichen-Trockenwald ging es zurück zum Ausgangspunk der Exkursion. Der Wald war überwiegend naturnah ausgeprägt, am Waldrand mit vielen Exemplaren der Elsbeere (Sorbus torminalis). Die Krautschicht spiegelte sehr deutlich die trockenen, bodensauren Standortverhältnisse wider – unter anderem wuchsen hier Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia), Pillen-Segge (Carex pilulifera), Verschiedenblättriger Schwin¬gel (Festuca heterophylla), Frühblühendes Habichtskraut (Hieracium glaucinum), Schönes und Berg-Johanniskraut (Hypericum pulchrum, H. montanum), Berg-Platterbse (Lathyrus linifolius), Weiße Hainsimse (Luzu¬la luzuloides), Gewöhnlicher Tüpfelfarn (Polypodium vulgare) und Heidel¬beere (Vaccinium myrtillus). Im Saum des Waldes fanden wir außerdem Besenginster (Cytisus scoparius), Büschel-Nelke (Dianthus armeria), Wald-Labkraut (Galium sylvaticum), Savoyer Habichtskraut (Hieracium sabaudum), Wilde Platterbse (Lathyrus sylvestris), Salbei-Gamander (Teucrium scorodonia) und Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria).

Die artenreiche Saum- und Waldvegetation war aber auf einen schmalen Streifen entlang der Hangoberkante beschränkt. Auf den nördlich an-schließenden Flächen, wo der Schilfsandstein von Löss überdeckt ist, wuchsen auf lehmigen, mäßig frischen bis frischen Standorten wesentlich artenärmere Bestände des Waldmeister-Buchen-Waldes. Hier fanden wir unter anderem Waldmeister (Galium odoratum), Nestwurz (Neottia nidus-avis), Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum), Sanikel (Sanicula europaea) und Wald-Veilchen (Viola reichenbachiana).

Völlig andere Standortverhältnisse trafen wir nach der Mittagspause im Tal des Bernhardsbachs an. Hier wurde im Mittelalter von Mönchen der zur Fischzucht aufgestaute Bernhardsweiher angelegt. Umgeben ist er von Grauweiden-Gebüsch, Schilf-Röhricht sowie schmalen Großseggen-Beständen. Wegen des hohen Wasserstandes war von der im Spät-sommer besser ausgebildeten Schlammflur kaum etwas zu sehen, mit Rotem Fuchsschwanz (Alopecurus aequalis) und Niedrigem Fingerkraut (Potentilla supina) fanden wir aber immerhin zwei bemerkenswerte Schlammflurarten. Wohl nur eingeschleppt war die in den Sandgebieten der Rheinebene häufige Graukresse (Berteroa incana), von ihr wuchs ein kleiner Bestand auf dem Staudamm des Weihers.

Südöstlich  des Weihers ging es weiter durch das Waldgebiet Hollerstein. Auf lehmigen, frischen bis feuchten, basenreichen Standorten wuchsen hier Breitblättrige Ständelwurz (Epipactis helleborine), Süße Wolfsmilch (Euphorbia dulcis subsp. purpurata), Behaartes Johanniskraut (Hype¬ricum hirsutum), Hohe Schlüsselblume (Primula elatior), Quell-Sternmiere (Stellaria alsine), Berg-Ehrenpreis (Veronica montana) und weitere mesophile Arten. Mit einem großen Bestand kam außerdem die Indische Scheinerdbeere (Duchesnea indica) vor, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten in Südwestdeutschland stark ausgebreitet hat und auf nährstoffreichen Standorten der Waldwegränder inzwischen vollständig etabliert ist.

In Höhe Geißenklinge querten wir das Wiesental des Bernhardsbach. Die feuchtesten Bereiche nahm eine Kohldistel-Wiese ein, kennzeichnende Arten waren Kamm-Segge (Carex disticha), Hain-Vergißmeinnicht (Myo¬sotis nemorosa) und Wald-Simse (Scirpus sylvaticus). Vorherr¬schender Wiesentyp war jedoch die Glatthafer-Wiese in der Ausprägung frischer bis wechselfrischer Standorte. Hier fanden wir zum Abschluss unserer Exkursion noch Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Bach-Nelkenwurz (Geum rivale), Großen Wiesenknopf (Sangusiorba officinalis) und Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata).

Bei der floristischen Kartierung für das Grundlagenwerk „Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs“ wurden für den aufgesuchten Quadranten 6918/4 bereits 588 Sippen nachgewiesen. Von diesen konnten wir 270 Sippen bestätigen und 61 Sippen neu nachweisen, so dass nun für den etwa 34 km² großen Quadranten 649 Sippen bekannt sind.