Botanische Exkursionen in der Kurpfalz 2012 – Bericht der Regionalgruppe Kurpfalz


MARKUS SONNBERGER
Nachdem sich in den Vorjahren ein recht fester Exkursionskreis gebildet hatte, beschlossen die Mitglieder der BAS aus dem Rhein-Neckar-Gebiet eine eigene „Regionalgruppe“ mit regelmäßigen Treffen, regionalem Exkursions- und Fortbildungsangebot zu schaffen. Das war 2011. Für 2012 wurde ein ambitioniertes Exkursionsprogramm entworfen, dessen Ziel es war, die mutmaßlichen weißen Flecken der Region nach und nach aufzuarbeiten. Der Schwerpunkt des Exkursionstreibens sollen dabei der Rhein-Neckar-Kreis mit Mannheim und Heidelberg, aber auch die angrenzenden Landkreise sein.

In 2012 kam der Frühling nach dem wochenlangen, starken Kahlfrösten im Februar spät und langsam in die Gänge. Die erste Exkursion war naturgemäß den Frühlingsgeophyten und –annuellen gewidmet.
Am 20. März untersuchten wir die von sandigem Untergrund geprägten Gebiete im Norden von Mannheim-Käfertal. Die Begehung des Käfertaler Friedhofes brachte die erwarteten Gelbsterne, die hier, wie anderenorts noch am ehesten in Strukturrelikten der Altlandschaft, wie eben Friedhöfe, zu finden sind. Zwei Arten waren häufig und auch blühend nebeneinander anzutreffen, nämlich Gagea pratensis und Gagea villosa. Nördlich des Friedhofes fanden wir in Sandackerbrachen und an Wegrändern auch den enzianblauen Veronica triphyllos und Hypochaeris glabra. Ein einjähriges Ferkelkraut, das zumindest bei uns entgegen seines Namens aber meistens behaart ist und daher wohl oft übersehen wurde. Bemerkenswert war auch eine Brache direkt an der Landstraße mit einem großen Bestand des Wald-Ruhrkautes (Gnaphalium sylvaticum), das dort neben Artemisia absinthium dem starken Kaninchenverbiss trotzte.

Die Exkursion am 14. April war ähnlicher Ausrichtung, führte jedoch in den Nordwesten von Schwetzingen, wo ebenfalls wieder der Friedhof als Ausgangspunkt gewählt wurde. Letzterer erwies sich allerdings als intensiv gepflegt und damit als uninteressant, so dass der Fokus schnell auf das „Straßenbegleitgrün“ gelenkt wurde. Entlang der alten B36 gab es immer wieder +/- konsolidierte Sandrasenfragmente mit interessanten Arten, wie Veronica triphyllos, Myosotis stricta, Carex praecox, Anthemis ruthenica, Holosteum umbellatum, Poa bulbosa und seltenen Pilzen, wie Stielboviste (Tulostoma spec.) und Scheibenboviste (Disciseda bovista). Der Besuch der ehemals als Pflanzenstandort bedeutenderen „Wingerts¬buckel“, einer mittlerweile von Verkehrstrassen arg verstümmelten Düne, verlief dagegen eher enttäuschend. Verwildertes und verbuschtes Kleingartengelände und nitrophytische Saumvegetation beherrschten das Bild. Immerhin lassen die neu geschaffenen Böschungen an der B36 im Norden der Düne mit einer initial bereits von Artemisia campestris dominierten Sandflora auf eine gewisse Erholung der Sandbiotope hoffen.
Im Mai besuchten wir die Löss-Buchenwälder im Süden von Gaiberg. Ausgangspunkt war der Bammentaler Waldfriedhof, von wo aus die Exkursion nach Westen und Norden geführt wurde. Erwartungsgemäß brachte die Tour wenig Höhepunkte. Es dominiert die für diesen Standort typische Waldflora mit mehr oder weniger allen Kennarten des Waldmeister- und Hainsimsen-Buchen-Waldes, angereichert durch die Flora der mal mehr mal weniger nährstoffreichen Wegsäume. Bemerkenswert ist, dass die Ruderalisierung sich nicht mehr auf die Wegsäume beschränkt, sondern durch den mehr oder weniger ungehemmten Einsatz von Waldmaschinen auch zunehmend die gesamte Waldfläche erfasst. Das lässt sich leider auch anderenorts beobachten und führt einerseits zwar zu einer Steigerung der Artenanzahl, wenn wie hier in den Fahrspuren Juncus effusus und Cytisus scoparius hochkommen. Auf konsolidiertere Verhältnisse angewiesene Arten, wie Neottia nidus-avis fallen jedoch auf der Fläche zunehmend aus. Wir haben diese Art nur in unbefahrenen Bereichen gesehen. Bemerkenswert ist auch der Fund von Gelbbauchunken in Fahrspuren am Waldrand („Rückgrund“).
Die erste Juni-Exkursion führte uns nach Neckarkatzenbach an den Rand einer Altneckar-Schlinge. Richtung Neunkirchen fanden wir an einem Hang eine sehr schön ausgeprägte Magerwiese mit reichem Vorkommen von Dianthus carthusianorum. Weitere Arten wie Anemone nemorosa, Primula veris, Festuca rubra, Bromus erectus, Ranunculus bulbosus, Salvia pratensis, Briza media, Rumex acetosella, Carex caryophyllacea und viele andere bildeten hier ein für Pflanzensoziologen erfreulich schwer zu interpretierendes Nebeneinander, wie man es aber auch anderenorts im Main- und Neckartal findet. Ein angrenzender Acker brachte als Auffälligkeit lediglich Bromus secalinus, der Gang und Rückweg durch einen Mischwald und entlang der Straßenböschung neben üblichen Generalisten immerhin Dianthus armeria.
Die zweite Juni-Exkursion führte anlässlich des Mannheimer „Tag der Artenvielfalt“ wieder in die Sandgebiete, diesmal im Südosten von Mannheim. Ausgehend von der Rotlochhütte führte der Dünenwanderweg durch ehemals artenreiche Sand-Kiefernwälder nach Osten. Sandflora war hier nur noch relikthaft, etwa in Form von Hieracium pilosella, Ajuga genevensis und Schafschwingel am Wegrand zu finden. Die Forst¬wirtschaft hat hier insbesondere durch die Einbringung standortfremder Baumarten ganze Arbeit geleistet. Die ungezügelte Ausbreitung der Spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina) tut ihr übriges. Gut in Schuss zeigte sich dagegen das NSG auf der Brunnenfelddüne. Hier kam es durch Pflegemaßnahmen insbesondere am westlichen Fuß der Düne zur Revitalisierung von Populationen des seltenen Kegel-Leimkrautes (Silene conica) und des Blau-Schillergrases (Koeleria glauca). Der zweite Teil der Exkursion führte in den noch bis zur Jahrtausendwende artenreichen „Unteren Dossenwald“. Auch dort sind die „besseren“ Standorte zu kleinflächigen Relikten zusammengeschrumpft, immerhin aber noch mit besserem Artenrepertoir als die erwähnte Rotlochdüne. Im Dossenwald hat man in die lichtreichen Sand-Kiefernwälder mit ihren noch Anfang der 1990er-Jahren großen Populationen von Gentiana cruciata, Peucedanum oreoselinum, Viola rupestris, Carex ericetorum und Epipactis atrorubens zuletzt Laubgehölze, darunter Buche, Linde und Eschen-Ahorn, als Unterbau eingeführt. Wir haben die Besonderheiten nur noch in wenigen Exemplaren gefunden. Das Grünblütige Wintergrün (Pyrola chlorantha) scheint ganz verschwunden zu sein. Bestätigt wurde aber das Vorkommen von Teufelsabbiss (Succisa pratensis), der hier an durchaus trockenen Standorten wächst.
Am 17. Juli ging es in das grenzreiche Hinterland von Eberbach und zwar in das Fahrbachtal im Nordosten von Friedrichsdorf, ein kleines Seitental der Itter, das sich gleich drei Gemeinden zweier Bundesländer teilen. Dominant ist die übliche Flora des Buntsandstein-Odenwaldes. Intere¬ssant war das üppige Auftreten von Potentilla anglica auf feucht-nährstoffarmen Waldwegen, an sonnigeren Stellen in Begleitung des recht häufigen Augentrosts Euphrasia nemorosa und dem selten gewordenen Echten Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea). Das Offenland war überwiegend beweidet und in einem der Jahreszeit entsprechenden Zustand, aber insgesamt vielversprechend. Ein Besuch im Frühjahr dürfte hier sicher mehr bringen. An Säumen war der regional etwas häufigere Goldklee (Trifolium aureum) auffallend.
Am 7. August führte die Exkursion in den Kraichgau bei Schatthausen. Ausgehend vom Friedhof ging es nach Osten durch die Feldflur Richtung „Eichwald“. Entlang von Böschungen mit noch relativ artenreichen Grünlandrelikten zogen Stoppeläcker unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Segetalflora war vergleichsweise artenreich. Hervorzuheben sind Consolida regalis, Silene noctiflora, Erucastrum gallicum, Valerianella dentata, Kicksia elatine und K. spuria sowie die auch im Sandstein-Odenwald weiter verbreitete großblütige Form des Acker-Stiefmütter¬chens (Viola arvensis ssp. megalantha). Im Wald begegnete uns die typische Flora des Waldmeister-Buchen-Waldes.
Am 21. Juli nutzten wir die Gelegenheit eine der aktuellen Großbaustellen der Region näher zu untersuchen. Im Südwesten von Heidelberg entsteht zur Zeit auf dem ehemaligen Areal des Güterbahnhofs ein neuer Stadtteil, die sogenannte Bahnstadt. Tiefbauarbeiten haben hier auf mehreren Hektar Fläche nährstoffarmes Sediment des Neckar-Schwemmfächers freigelegt und mancherorts riesige Erdhügel aufgeworfen. Die vorgefun¬dene Flora war mit knapp 200 Arten recht artenreich und bestand weitgehend aus heimischen Generalisten. Interessant war das Auftreten lokaler Seltenheiten wie Erysimum cheiranthoides, Leontodon saxatilis, Nepeta cataria und Astragalus glycyphyllos. In Einzelexemplaren wurden auch Arten wie Cannabis sativa (ob spontan?), Potentilla collina und Scrophularia canina gefunden, von denen in der näheren Umgebung keine aktuellen Vorkommen bekannt sind. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Flora im Verlauf der Jahre weiterentwickeln wird.
Im September stand zunächst unsere traditionelle Mannheim-Exkursion an. Jeweils am dritten Wochenende im September untersuchen wir – und das mittlerweile im fünften Jahr – einen „Quadranten“ der Innenstadt und begeben uns anschließend zur Neophytenpirsch in die einschlägigen Reviere der Mannheimer Umschlagsplätze. 2012 war wieder der südwestliche Teil der Innenstadt dran. Wuchsorte für die Spontanflora bieten hier vor allem Pflasterfugen, Parkplätze und Baumscheiben. Die schon vor vier Jahren gefundenen Raritäten Erigeron karwinskianus und Petrorhagia saxifraga konnten an selber Stelle wieder bestätigt werden. Weitere Auffälligkeiten waren z.B. Euphorbia maculata, Juncus compres¬sus, Potentilla supina, Sisymbrium loeselii, Polycarpon tetraphyllum, Erigeron sumatrensis, E. bonariensis und erstmals ein Bestand von Chenopodium opulifolium. Später führte uns die Exkursion über die B44-Brücke nach Ludwigshafen, wo im Umfeld des Brückenkopfes eine schöne Kolonie von Chenopodium foliosum und Gaillardia grandiflora besichtigt werden konnte. Der Weg nach Süden entlang des Rheinufers führte entlang bewachsener Uferfassungen, wo insbesondere der hohe Anteil offensichtlich spontaner, neophytischer Gehölze auffiel. Notiert wurden u.a. Acer ginnala, Pyracantha spec., Platanus x acerifolia und Cercis siliquastrum. Eine eigene Exkursion im Sommer 2013 soll sich der Verhältnisse auch auf der badischen Rheinseite annehmen.
Schon am 18. September stand die nächste Exkursion auf den Pro-gramm, diesmal in den Übergangsbereich vom Odenwald zum Bauland im Nordosten von Limbach-Waldhausen. Ziel war vorrangig die Überprü¬fung älterer Angaben zum Vorkommen von Gentianella germanica (Meszmer 1998: „Flora des Neckar-Odenwald-Kreises“), einer auch am ehemals gut besetzten südöstlichen Rand des Odenwaldes anscheinend weitgehend verschwundenen Art. Ausgangspunkt war wieder der Friedhof von wo aus ein Gebiet mit Extensivgrünland im „Rod“ angesteuert wurde. Leider trafen wir in der ansonsten weitgehend verödeten Flur nur Halb¬trockenrasen im Zustand fortgeschrittener Verbuschung an. Pflegema߬nahmen wären hier unbedingt anzuraten, bevor als nächstes vielleicht auch noch der hier etwas zahlreichere Fransenenzian (Gentianopsis ciliata) verschwindet. Erfreulicher war die Situation in den südwest¬exponierten Kalk-Buchenwäldern des „Hammelsbusch“ mit ihrem orchi¬deenreichem Unterwuchs. Insbesondere die Fruchtstände der regional etwas häufigeren Orchis purpurea lassen einen ansprechenden Frühlingsaspekt erwarten.
Im Oktober wurden zwei Exkursionen im Umfeld von Heidelberg durch-geführt. Die erste führte am 2. Oktober in die felsreichen Nordosthänge am Auerhahnenkopf mit der Hoffnung den in der Umgebung sonst nicht seltenen Dünnfarn-Gametophyten Vandenboschia (=Trichomanes) speciosa zu finden. Eine Hoffnung die jedoch nicht erfüllt wurde. Entlang historischer Wanderwege ging es schräg nach oben durch Nadel-Mischwälder mit z.T. mächtigen Douglasien an steilsten Standorten direkt oberhalb der Bahnlinie. An die Holzernte hat man hier wohl nicht gedacht! Leider machen sich auch andere Neophyten breit, wie die Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) und an Wegrändern Fallopia japonica. Eher kurios als beängstigend ist dagegen der Fund von Kiwi (Actinidia spec.) entlang eines Fußpfades.
Am 7. Oktober fand eine mit über 30 Teilnehmern herausragend besuchte Exkursion im Rahmen des Südwestdeutschen Floristentages in Heidelberg statt. Die Frühaufsteher konnten unter Führung von Prof. Marcus Koch (COS), der als Gastgeber den Floristentag nach Heidelberg geholt hatte, einen Blick in die herausragenden Sammlungen des Heidelberger Botanischen Gartens werfen. Neben den Aufgaben für Forschung und Lehre stehen dabei die Erhaltungskulturen mit wertvollem Originalmaterial madegassischer Sukkulenten und tropischer Orchideen im Schwerpunkt fortwährender Bemühungen zur weiteren Verbesserung der Sammlungsqualität. Gegen Mittag führte die Exkursion bei strahlen¬dem Sonnenschein entlang der Neckarwiese in Richtung Altstadt. An den Wegsäumen waren trotz der weit fortgeschrittenen Saison bemerkens¬werte Arten, wie Artemisia verlotiorum, Solanum villosum und eine hübsche Form von Amaranthus deflexus häufig zu beobachten. In der Altstadt selbst konnte auf Polycarpon tetraphyllon und Erigeron sumatrensis hingewiesen werden. Von dort ging es entlang interessanter Mauern, mit den üblichen Kleinfarnen, aber auch Gymnocarpium robertianum und Pseudofumaria lutea hinauf zum Schloss. Die Mauer¬sanierer haben dort überwiegend schon ganze Arbeit geleistet und den lästigen „Steinbrech“ weitgehend entfernt. Hie und da fand sich aber trotzdem noch etwas Goldlack (Cheiranthus cheiri) und das Ausdauernde Glaskraut (Parietaria officinalis). Mit der Bergbahn ging es dann hoch zum Königstuhl von wo der Weg dann durch die Odenwald-typischen Mischwälder über das NSG „Felsenmeer“, Wolfsbrunnenhang und Valerieweg wieder in die Stadt zurück führen sollte. Oberhalb des Felsenmeeres konnte ein schöner Bestand von Dryopteris cambrensis demonstriert werden, ein eher seltener Vertreter der Spreuschuppigen Wurmfarne. Im Felsenmeer selbst fand sich dann in Felslöchern direkt am Weg das Leuchtmoos Schistostega pennata und eine kleine Gameto¬phyten-Kolonie des Dünnfarnes Vandenboschia speciosa. Auf Höhe des Schloss-Wolfsbrunnenweges führte der Weg aus dem Buntsandstein heraus auf den Granitsockel des Neckardurchbruchs und entlang des felsreichen Valerieweges steil hinunter zum Karlstorbahnhof. Der Heidelberger Granit ist hier besonders mineralreich und überall waren Handstücke mit Turmalinkristallen aufzusammeln. Die Flora ist vor allem wegen ihrer Kleinfarne hervorzuheben. Es wurden Polypodium interjec¬tum und P. vulgare, verschiedene Unterarten von Asplenium trichomanes, Asplenium septentrionale und reichlich A. adiantum-nigrum gefunden. Hervorzuheben ist auch das große Vorkommen der Felsen-Fetthenne (Hylotelephium vulgare), das Lanzettblättrige Weidenröschen (Epilobium lanceolatum) und als dendronologische Kostbarkeit die hier wildwachsen¬de kleinfrüchtige Wildform der Mispel (Mespilus germanica).
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern der Exkursionen und verweisen auf die Planung für 2013.