Bericht über die Kartierexkursionen 2006 des AK-Adventivfloristik 1


Annemarie Radkowitsch

Im Jahr 2006 veranstaltete der Arbeitskreis Adventivfloristik vier Kartier­exkursionen. Außer einer Exkursion nach Bietigheim-Bissingen (TK 7020/4) im milden Neckarbecken führten drei weitere Exkursionen in klimatisch weniger begünstigte Gebiete. In der Hohenloher-Haller Ebene wurde die Flora der Bahnanlagen von Crailsheim (TK 6826/3) erfasst. In der Baar wurden Bahnhof und Bahngelände sowie die Erddeponie von Villingen (TK 7916/2) und am folgenden Tag die Bahnanlagen von Schwenningen (TK 6917/1) kartiert. Am Rande einer Kartierexkursion des AK Geobotanik in der Umgebung von Allmendingen in der Mittleren Flächenalb konnte außerdem eine kleine Artenliste des Bahnhofs Allmendingen (TK 7624/3) erstellt werden.

An den Kartierungen beteiligten sich folgende Mitglieder und Freunde der BAS: Uwe Amarell, Frau Fancelli, Inge Lenski, Helmut Märtz, Gunter Müller, Annemarie Radkowitsch, Ralf Rieks, Harald Streitz, Manfred Wander und Detlef Wucherpfennig.

Bahnhof Bietigheim-Bissingen

Der Bahnhof von Bietigheim-Bissingen liegt auf der Strecke Ludwigsburg – Heilbronn bzw. Bruchsal. Nachgewiesen wurden bei der Kartierung des Bahngeländes am 24.6.2006 insgesamt 230 Sippen. Bietigheim-Bis­singen liegt auf einer Höhe von etwa 185 m ü. NN. Die Flora entspricht dem durch wärmeliebende Sippen geprägten Arteninventar, das auch im Oberrhein- oder Neckargebiet an Bahnhöfen und anderen Umschlags­plätzen zu finden ist, sowie Arten, die v.a. im Neckarraum einen Verbreitungsschwerpunkt haben wie Stink-Pippau (Crepis foetida) oder Schöner Pippau (Crepis pulchra). Aufgrund der Jahreszeit war eine repräsentative Kartierung von Fuchsschwanzarten (Amaranthus spp.) oder Gänsefüßen (Chenopodium spp.) noch nicht möglich, da die Bestimmungsmerkmale zu dieser Jahreszeit nicht vollständig ausgeprägt waren. Adventive Gehölze wie Götterbaum (Ailanthus altissima), Sommerflieder (Buddleja davidii), Robinie (Robinia pseudoacacia) und Gewöhnlicher Trompetenbaum (Catalpa bignonioides) bestimmen das Bild der vorkommenden Baum- und Straucharten. Erstmals im Gebiet nachgewiesen wurden Götterbaum, Gewöhnlicher Trompetenbaum sowie der Schmalblättrige Sommerflieder (Buddleja alternifolia) und die Kupfer-Felsenbirne (Amelanchier lamarckii). Der Status ist bei den beiden letzteren Gehölzen bisher nur als verwildert einzustufen, da diese in der näheren Umgebung auch kultiviert vorkommen und sich durch Aussamung von diesen Vorkommen ausgehend ansiedeln konnten. Die übrigen Gehölze treten unabhängig von Anpflanzungen in der Umgebung auf. Außerdem wurden verschiedene krautige Pflanzen erstmals für das Gebiet nachgewiesen. Erstaunlicherweise war der weit verbreitete Sachalin-Knöterich (Reynoutria sachalinensis) im Gebiet noch nicht bekannt. Der Feigenblättrige Gänsefuß (Chenopodium ficifolium) und die Dichtblütige Kresse (Lepidium densiflorum) kamen im Gleisschotter vor. Besonders bemerkenswert war ein Fund der Schmalblättrigen Miere (Minuartia hybrida subsp. hybrida). Diese im Gegensatz zur einheimischen Unterart tenuifolia im Blütenbereich drüsige Sippe ist mediterran verbreitet und tritt in Süddeutschland nur selten adventiv auf.

Bahnhof Crailsheim

Der Bahnhof Crailsheim liegt auf einer Höhe von 410 m ü. NN. Dort kreuzen sich die Bahnlinien Stuttgart–Nürnberg und Ulm–Frankfurt a. M. Die Kartierung des Bahngeländes ergab am 27.5.2006 246 Arten. Die Gehölzflora unterscheidet sich stark von den Bahnhöfen im Neckar- und Oberrheingebiet, in denen Sommerflieder und Götterbaum häufig ansehn­liche Gebüsche aufbauen. Beide Arten wurden an den Crailsheimer Bahnanlagen nicht nachgewiesen. Als Kulturrelikt oder Verwilderung aus ehemaligen Schrebergärten entlang der Bahn traten verschiedene Zierpflanzen auf. In extensiv gepflegten älteren Gehölzpflanzungen kamen Jungpflanzen des Goldregens (Laburnum anagyroides) und die Gewöhnliche Jungfernrebe (Parthenocissus inserta) vor. Als verwilderte Gartenstauden wurden Großwurzeliger Kranichschnabel (Geranium ma­crorhizum), Deutsche Schwertlilie (Iris germanica), die Gelbe Taglilie (Hemerocallis fulva), Armenische Traubenhyazinthe (Muscari armenia­cum) und die Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica) kartiert. Bei allen diesen Vorkommen war kein unmittelbarer Zusammenhang mit Anpflanzungen in benachbarten Gärten erkennbar. Für die Bestimmung von Brom­beerarten ist meist der Rat eines Spezialisten sinnvoll. Die beiden neophyti­schen Brombeeren Rubus armeniacus und Rubus laciniatus sind jedoch leicht an ihren dicken Stängelrippen und typischen Stacheln beziehungsweise ihrem Blattschnitt erkennbar. Beide wurden für das Gebiet neu nachgewiesen. Als bisher nicht kartierte krautige Arten wurden zum Beispiel eine Unterart des Saat-Mohns (Papaver dubium subsp. confine), der mittlerweile an kaum einem Bahnhof fehlende Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylitis) und die Virginische Kresse (Lepidium virginicum) notiert. Besonders erwähnenswert ist der Fund des Nizza-Pippaus (Crepis nicaeensis). Diese seltene Adventiv-Art stammt aus Südosteuropa und dem Kaukasus und wurde für Baden-Württemberg erstmals von Döll 1825 in Karlsruhe-Knielingen erwähnt. In jüngerer Zeit wurden nur zwei Funde aus dem südlichen Oberrheingebiet bei Freiburg (1973) und Grießheim (1992) bekannt (Sebald et al., 1996, Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs, Bd. 6).


Bahnhöfe Villingen und Schwenningen

Auf dem Gelände des Bahnhofs Villingen wurden am 23.9.2006 243 Sippen notiert, auf dem Bahnhof Schwenningen am folgenden Tag 234 Arten. Villingen-Schwenningen liegt auf einer Höhe von 704 m ü. NN. An beiden Bahnhöfen fallen etliche spontane Vorkommen des Mongolischen Steppen-Ahorns (Acer ginnala) auf. Als weitere adventive Gehölze können für Villingen die Kupfer-Felsenbirne (Amelanchier lamarckii), der Tataren-Ahorn (Acer tataricum) und die Schneebeere (Symphoricarpus rivularis) genannt werden. Sommerflieder (Buddleia davidii) und Götterbaum (Ailanthus altissima) konnten sich in dem rauen Klima der Baar in dieser Höhenstufe wohl bisher noch nicht erfolgreich etablieren.

Etliche krautige Adventivarten wurden für Villingen neu nachgewiesen. Im Gegensatz zu dem untersuchten Gelände in Schwenningen wuchsen in Villingen mehrere Arten der Gattung Fuchsschwanz (Amaranthus bouch­onii, A. hybridus s. str. und A. retroflexus). Im Saum einer Grünanlage im Bahnhof Villingen wurde eine kleine durch Trittbelastung und Trockenheit kümmernde Pflanze des Beifuß-Traubenkrautes (Ambrosia artemisiifolia) gefunden. Aber auch weit verbreitete Adventivarten sind bisher in diesem Gebiet noch nicht bekannt gewesen. Dazu gehören in Villingen u. a. das Kleine Liebesgras (Eragrostis minor), das Raue Berufkraut (Erigeron acris), der Einjährige Feinstrahl (Erigeron annuus), das Kahle Bruchkraut (Herniaria glabra) und die beiden Franzosenkräuter (Galinsoga ciliata, G. parviflora). Für Schwenningen bisher nicht erfasst sind unter anderem der an Bahnanlagen weit verbreitete Schmalblättrige Hohlzahn (Galeopsis angustifolia), das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera), die Zarte Binse (Juncus tenuis) oder der Japanische Staudenknöterich (Reynoutria japonica). Bemerkenswert war in Villingen der Fund des Gestreiften Leinkrautes (Linaria repens). Diese westeuropäische Art kommt in Baden-Württemberg meist nur adventiv, gelegentlich auch an Rändern von Waldwegen vor. Die Ostgrenze des natürlichen Areals der Art verläuft vermutlich entlang der Vogesen und des Pfälzerwaldes.

Bahnhof Allmendingen

Allmendingen ist eine kleine Ortschaft (515m m ü. NN) südlich von Schelklingen im Schmiechtal auf der Schwäbischen Alb. Obwohl der Bahnhof im Vergleich zu den bisher untersuchten Bahnhöfen nur sehr klein ist (eingleisig, das ehemalige Gütergleis aufgelassen) konnten auch hier etliche Adventivarten am 29.7.2006 neu nachgewiesen werden. Zum Beispiel die oben schon erwähnten Brombeerarten Rubus armeniacus und Rubus laciniatus. Neu waren außerdem der Stechapfel (Datura stramo­nium) Gänsefuß (Chenopodium hybridum), Wirtgens Erdrauch (Fumaria wirtgenii), die gelegentlich auf Friedhöfen auftauchende Spanische Fetthenne (Sedum hispanicum) sowie weit verbreitete Neophyten wie die Kanadische Goldrute (Solidago canadensis). Insgesamt wurden 48 Sippen kartiert.

Eine Auswertung aller bisherigen Kartierungen des AK-Adventivfloristik ist für Band 5 der Berichte der Botanischen Arbeitsgemeinschaft geplant.


Ein Gedanke zu “Bericht über die Kartierexkursionen 2006 des AK-Adventivfloristik

  • Thomas Schalk

    Sehr geehrte Frau Radkowitsch,

    vielen Dank für diesen interessanten Bericht zur Adventivflora der Bahnhöfe in Villingen und Schwenningen. Gibt es eine Möglichkeit, die komplette Artenliste einzusehen? Es gibt mittlerweile in Villingen im Gleisschotter am Bahnhof auch Geranium purpureum. Leider gibt es in Villingen kaum Menschen, die sich für Botanik interessieren und an Exkursionen Interesse zeigen. Es wäre schön, wenn ich von Ihnen hören würde.
    Mit freundlich Grüßen,
    Thomas Schalk

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