Welche Bedeutung hat bei wissenschaftlichen Pflanzennamen die Angabe des Autors?


Warum bei der Floristischen Kartierung Konzeptsippen wichtiger sind als die Angabe des Autorennamens.

von THOMAS BREUNIG

Vortrag beim Kartierertreffen im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart am 27. Februar 2016

Autorennamen von wissenschaftlichen Pflanzennamen und ihre Abkür­zungen kennen wir alle, zum Beispiel L. für Linnaeus oder „DC.“ für De Candolle, einem Schweizer Botaniker aus Genf. Was diese Autorennamen aussagen, ist aber nach Manfred A. Fischer, einem der Autoren der Exkursionsflora von Österreich, Lichtenstein und Südtirol, „leider weithin entweder unbekannt oder aber, was schlimmer ist, sie werden falsch verstanden.“ Ausführlich begründet er dies in einem lesenswerten Artikel in Band 7 (S. 195-229) der Zeitschrift Neilreichia, dessen Kernaussagen im Folgenden mitgeteilt werden.

Woher kommt das?

Allgemein bekannt ist leider nur, dass dies die Namen der Erstbenenner und Erstbeschreiber einer Pflanzen-, Pilz- oder Tierart sind. Hingewiesen sei aber darauf, dass zu den Autorennamen eigentlich auch das Veröf­fentlichungsdatum gehört, wodurch sie zu einem Autorenzitat werden, welches das Werk angibt, das die Erstbeschreibung enthält. In diesem Moment der Erstbeschreibung ergibt sich aus dem wissen­schaftlichen Namen eindeutig, welche Pflanzensippe in welcher taxono­mischen Abgrenzung gemeint ist. Dafür sorgen die Beschreibung der Art und der dazugehörige Herbarbeleg, der sogenannte Typusbeleg. Im Idealfall besteht dieser Beleg aus einem einzigen Exemplar, dem sogenannten Holotypus. Durch diesen Beleg ist im Prinzip für immer und ewig geregelt, zu welcher Sippe der neue Name gehört, nämlich zu genau der Sippe, zu der auch der Typusbeleg gehört. Nur solange es ein einziges taxonomisches Konzept gibt – wie im Moment der Erstbeschreibung – ist der wissenschaftliche Pflanzenname für sich allein eindeutig. Mit fortschreitenden taxonomischen Erkenntnissen kann aber der ein­deutige Bezug zwischen dem Namen und dem Inhalt des Namens, also dem, was er bedeutet, verloren gehen. Dies ist häufig der Fall. Mit der Zeit wachsen nämlich in der Regel die Kenntnisse zu einer Art und damit kann sich deren taxonomische Fassung ändern – der Erst­beschreiber bleibt auf Dauer nicht der beste Kenner „seiner“ Art, er ist nur ihr „Entdecker“.

Arten können bei neuen taxonomischen Konzepten weiter oder enger gefasst werden als bei ihrer Erstbeschreibung. Ihre Namen einschließlich des Autors bleiben aber trotzdem gleich – das ist der Knackpunkt. Das dies so ist, wurde durch die international anerkannten Nomenklatur-Regeln, den Internationalen Code der Nomenklatur für Algen, Pilze und Pflanzen [ICN] (bis 2011 Internationaler Code der Botanischen Nomenklatur [ICBN]) festgelegt und macht auch Sinn. Andernfalls müssten bei jedem neuen taxonomischen Konzept neue Namen erfunden werden, ein Namens-Chaos wäre im Laufe der Zeit die Folge. Diese Regelung hat aber den Nachteil, dass die Eindeutigkeit dessen, was ein wissenschaftlicher Artname bedeutet, verloren gehen kann. Und es ist leider ein Irrglaube, dass die Hinzufügung des Autorennamen daran etwas ändern würde. Dafür gibt es viele Beispiele. Eines davon ist Solanum nigrum L., der in Baden-Württemberg weit verbreitete Schwarze Nachtschatten. Unter diesem Namen verbirgt sich zum Beispiel nach dem taxonomischen Konzept des „Schmeil-Fitschen“ (93. Auflage, 2006) etwas anderes als nach dem taxonomischen Konzept des „Rothmaler“ (20. Auflage, 2011).

Im ersten Fall handelt es sich um den Schwarzen Nachtschatten mit den beiden Unterarten subsp. nigrum und der oberwärts dicht drüsig behaarten, vor allem im Oberrheingebiet nicht seltenen subsp. schultesii. Der „Rothmaler“ versteht unter Solanum nigrum L. dagegen nur eine der beiden Unterarten, er wertet die beiden Unterarten zu Arten auf. Aus subsp. nigrum wird dadurch die Art Solanum nigrum L., aus subsp. schultesii die Art Solanum decipiens Opiz. Je nachdem welche Exkursionsflora wir verwenden, meinen wir also mit Solanum nigrum L. etwas anderes. Der angehängte Autorennamen „L.“ bringt hier überhaupt keine Klarheit. Klar wird es erst wieder, wenn man den Namen mit dem taxonomischen Konzept verknüpft, also zum Beispiel Solanum nigrum im Sinne von Schmeil-Fitschen oder im Sinne von Rothmaler, und dabei auch die Auflage des Referenzwerks angibt, weil sich auch innerhalb der einzelnen Bestimmungsbücher die Bedeutung eines Namens im Laufe der Zeit ändern kann.

Solche „verknüpften“ Namen bezeichnet man als Taxonyme oder Konzeptsippen. Gleiche Namen mit unterschiedlicher Bedeutung unterscheidet man dabei durch Zusätze, die sie zu Konzeptsippen werden lässt:

s.l. = sensu lato, im weiten Sinne, wie Solanum nigrum L. bei Schmeil-Fitschen
s.str. = sensu stricto, im engen Sinne, wie Solanum nigrum L. bei Rothmaler
agg. = Aggregat, Artengruppe, zum Beispiel Carex flava agg. mit den Arten Carex demissa, Carex flava, Carex lepidocarpa und Carex viridula.

Aggregate fassen ähnliche, nicht leicht unterscheidbare aber nicht unbedingt nah verwandte Arten zusammen.

Es ist also leider ein wenig komplizierter als man es gerne hätte, und leider sind die Fälle, in denen ein wissenschaftlicher Artname für sich allein nicht eindeutig ist, nicht gerade selten. Je nachdem, auf welches taxonomische Konzept sich die Namen beziehen, verbirgt sich dahinter etwas anderes. Einige wenige Beispiele aus Baden-Württemberg verdeutlichen dies. Die häufigere Sippe, die zu dem Artnamen im weiten Sinne gehört, ist jeweils unterstrichen:

Epilobium tetragonum s.l. = Epilobium lamyi + Epilobium tetragonum s.str.
Erophila verna s.l. = Erophila praecox + E. spathulata + E. verna s.str.
Galium mollugo s.l. = Galium album + Galium mollugo s.str.
Lamium galeobdolon s.l. = Lamium galeodolon s. str. + L. montanum
Solanum nigrum
s.l. = Solanum decipiens + Solanum nigrum s.str.

Bei floristischen Kartierungen bedeutet dies, dass man bei Fundmeldungen getrost auf Autorennamen verzichten kann, andererseits aber angeben muss, auf welches Referenzwerk sich die Namen beziehen. Nur dadurch erhalten die Namen eine konkrete Bedeutung, werden also Taxonyme.

Geeignete Referenzwerke sind zum einen vollständige Florenlisten für ein Gebiet. Bei ihnen ergibt sich aus dem Kontext, in welchem Sinn ein Name zu verstehen ist. Beispiele sind die Florenliste von Baden-Württemberg von Buttler & Harms (1998) und die Florenliste zum Kartierprojekt „Flora des Kantons Zürich (Zürcherische Bot. Ges. 2014, siehe www.floz.zbg.ch). Auch die Anstreichliste der BAS berücksichtigt solche Konzeptsippen, allerdings enthält sie bislang nur die 700 häufigsten Arten Baden-Württembergs. Noch günstiger als Referenz ist die Angabe des benutzen Bestimmungswerkes oder der benutzten Bestimmungsschlüssel. Die Angabe eines Referenzwerks wie z.B. „Die Namen der Farn- und Blüten­pflanzen richten sich nach Rothmaler (2011)“ ist sowohl bei wissen­schaftlichen Veröffentlichungen als auch bei Fundortmeldungen, Arten­listen von Kartierexkursionen und Vegetationsaufnahmen grundsätzlich wichtig, das Anhängen von Autorennamen wäre dagegen nur unnötige Fleißarbeit.

Die derzeit im Auftrag der LUBW in Bearbeitung befindliche neue Florenliste für Baden-Württemberg wird Konzeptsippen enthalten und wird kompatibel sein zur ebenfalls in Bearbeitung befindlichen Florenliste Deutschland. Sie ist dadurch zukünftig –voraussichtlich ab 2017 – ein geeignetes Referenzwerk für die floristische Kartierung in Baden-Württemberg. Sinnvoll für die floristische Kartierung wäre die Erstellung einer Kurzfassung, welche zum Nachschlagen mit ins Gelände genom­men werden kann. Sie könnte wie beim Projekt „Flora von Zürich“ eine Kennzeichnung enthalten, von welchen Sippen genaue, punktscharfe Fundortangaben sowie Herbarbelege erwünscht sind.