Cardamine-Neophyt im Bodensee-Litoral – wer kennt weitere Fundorte?


Anbei eine aktualisierte Verbreitungskarte des Cardamine-Neophyten, der wahrscheinlich 2003 am Bodensee aufgetaucht ist. Wir geben ihm den deutschen Namen Japanisches Reisfeld-Schaumkraut. Wissenschaftlich wird dieser Neophyt noch als Cardamine flexuosa auct. non With. bezeichnet (Lihova et al. 2006, Klausmeyer 2006). Das „auct. non“ bedeutet, dass die Sippe in Japan, wo sie ursprünglich herstammt, fälschli­cherweise als Cardamine flexuosa Withering 1796 bezeichnet wurde, vermeintlich identisch also mit unserem Wald-Schaum­kraut.

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Diese Pflanze wurde erstmals im Frühjahr 2004 von W. Osten­dorp, M. Dienst & E. Klein am Reichenauer Damm entdeckt. Inzwischen hat sie die Universität Osnabrück (AG Bleeker) genauer unter die Lupe genommen und Simone Klausmeyer darüber eine Examensarbeit geschrieben. Durch gleichzeitige genetische Untersuchungen von Lihova et al. (2006) hat sich herausgestellt, dass sie mit der Japanischen Cardamine ‚flexu­osa’ identisch ist. Jetzt muss Sie einen neuen Namen erhalten. Innerhalb Europa ist sie bislang nur von Oberitalien bekannt. Thomas Götz (Konstanz) hat bei Arborio (Vercelli, Piemont) zumindest sehr ähnlich aussehende Pflanzen in Reisfeldern (!) gefunden.

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Auffallend an der Verbreitung am Bodensee ist die Tatsache, dass dieser Neophyt offensichtlich erst seit dem Niedrigwas­serjahr 2003 im Bereich der Mittelwasserlinie – und (fast) nur dort – vorkommt (von ca. 320 bis 370 cm am Pegel Konstanz). Der Untergrund kann feinsandig bis grobkiesig sein.

Morpholo­gisch fällt auf, dass die Pflanze keine ausgeprägte Rosette hat. Die Fiederblättchen sind oft ansatzweise dreiteilig. Der Stängel weist eine lockere Behaarung auf. Sie wächst und blüht zu fast jeder Jahreszeit, evtl. in den kalten Monaten sogar häufiger als im Sommer – wenn es nicht gerade Dauerfrost hat. Sie kann sehr kleinwüchsig sein, auf nährstoffreichem Schwemmgut aber auch sehr üppig und in dichtem Bestand wachsen (z.B. Süd- und Westufer der Reichenau).

Die Fundortpunkte stammen hauptsächlich von der Kartierung der Pioniervegetation im Wollmatinger Ried (Dienst u. Osten­dorp, AGBU; Klein, NABU), wo sie südlich des Reichenauer Damms und bei den Inseln teilweise häufig vorkommt – aber noch nicht nördlich des Damms! Viele Angaben stammen von den Strandrasen-Erhebungen im Kanton Thurgau und Kreis Konstanz (Dienst u. Strang) – in den Strandrasen des Bodenseekreises und des östlichen Thurgaus wurde sie bislang nicht gefunden. Gezielt gesucht und gefunden wurde sie an der Stockacher Aachmündung, am Reichenauer Südufer (beides Dienst), östlich von Friedrichshafen (Dienst, Strang) und im südlichen Eriskircher Ried (Knötzsch). Mehrere Funde von Anfang 2007 stammen von Tinner undZoller vom südöstlichen Ufer. Peintinger und Ostendorp haben innerhalb eines AGBU-Projekts (Kontrolle aller Renaturierungsflächen)weitere Wuchsdorte am östlichen Bodensee gefunden, in zwei Fällen auch etwas oberhalb der Hochwasserlinie.

In der Karte sind 85 Fundpunkte angegeben (Mindestentfer­nung 200 m).

Dieser Schaumkraut-Neophyt ist zunehmend ein Konkurrent für einheimische Uferpflanzen, da er verstärkt in dichten Beständen im Spülsaumbereich wächst. Dort verdrängt er z.B. Rorippa amphibia, Barbarea vulgaris und B. stricta. Eine Konkurrenz für die Strandrasenarten scheint er nicht zu sein.

Eine Ausbreitung rheinabwärts ist sehr wahrscheinlich, so dass zunächst am Hochrhein mit Neuansiedlungen zu rechnen ist.

Fundmeldungen bitte an Michael Dienst, Heroséstr. 18, 78467 Konstanz, 07531-4549504 – michael.dienst@bodensee-ufer.de

Literatur: Klausmeyer, S. (2006): Analyse von potenziellen Cardamine-Hybriden in der Ufervegetation des Bodensees. – Examensarbeit, Universität Osnabrück, 54 S. – Lihova, J., Marhold, K, Kudoh, H. & Koch, M.A. (2006): Worldwide phylogeny and biogeography of Cardamine flexuosa (Brassicaceae) and its relatives. American Journal of Botany 93: 1206-1221.