Rauschert, Stephan (Hrsg. Rose-Maria Rauschert) 2007: Orchideenlexikon. 1. Aufl. – Weissdorn-Verlag. 606 S.; Jena. gr8vo 1625 gr, gebunden; 189 SW- Abbildungen und 4 Tabellen; ISBN 978-3-936055-52-8. Preis: € 29,90. Bezug: Weissdorn-Verlag Jena, Wöllnitzer Str. 53, D-07749 Jena (www.weissdorn-verlag.de).


Besprechung von DR. RICHARD LORENZ, Weinheim

Orchideenlexikon

Wer sich schnell und verläßlich über Fachbegriffe aus der Orchideenfamilie informieren will, bleibt häufig ohne Antwort, wenn er nicht eine umfangreiche Literatur zur Verfügung hat und kommt selbst dann um eine zeitaufwendige Recherche meist nicht herum. Diese Lücke mit einem Buch über die Orchideenkunde zu schließen, hat sich der bekannte Botaniker Stephan Rauschert mit einem Autorenkollektiv bereits zu DDR-Zeiten vorgenommen. Er selbst hat dafür neben der Bearbeitung der Unterfamilien Neottioideae und Orchidoideae die Bearbeitung der Morphologie von Wurzel, Spross, Blatt, Blütenstände und Blüte, der Blütenbiologie, Taxonomie, Nomenklatur und Genetik übernommen. Bis zu seinem Tod konnte er seinen Teil des Manuskriptes nahezu abschließen, das Werk wurde jedoch von den Mitautoren nicht mehr weiterverfolgt. Begrüßenswerterweise konnte seine Witwe Rose-Maria Rauschert das Manuskript mit den fehlenden Unterfamilien ergänzen und Beschreibungen der meisten Orchideengattungen nach Schlechter, Die Orchideen ed. 3 hinzufügen, so dass jetzt ein handliches, gut ausgestattetes, umfangreiches Orchideenlexikon vorliegt.
Dieses ist gleichermaßen für Liebhaber und Fachleute eine reiche Fundgrube. Auch für die/den mit europäischen Orchideen befassten Nutzer/in sind die vielen ausführlichen, sachlich fundierten Erläuterungen der Morphologie und Funktion verschiedener Organe von Pflanze und Blüten von hohem Wert. Neben den allgemeiner bekannten Organen wie z.B. Blatt/Blattscheide/Blattstiel oder Pollen/Pollinium/Pollinarium und Rostellum/Viscidium werden aber auch die in der europäischen Standard-Orchideenliteratur seltener behandelten Organe oder Begriffe genau beschrieben wie Auriculae oder Anthere, incumbente /operculate /reclinate /recumbente Anthere, Antherenresupination etc. Wo kann man sonst nachlesen, daß z. B. bei Hammarbya paludosa die Blattbrutkörper korrekt nicht als Brutknospen oder Blattaugen bezeichnet werden, sondern als Foliarembryonen. Ähnlich ausführlich werden auch Begriffe aus der Bestäubungsbiologie und Reproduktion behandelt, z.B. Bienenblumen, Rostellexplosion bei Listera, Apomixis, Autogamie, Auto-/Alloploidie. Der Inhalt des Lexikons läßt sich durch viele Querverweise sehr gut erschließen, sodaß man über weiter gefasste Suchbegriffe zu immer detaillierteren Erklärungen geführt wird. Meist werden auch Erstautor und spätere Bearbeiter der Begriffe mit Jahresangabe angeführt. Da aber nur gelegentlich ein vollständiges Zitat erfolgt und kein Literaturverzeichnis vorliegt, ist eine direkt vom Lexikon ausgehende, gelegentlich wünschenswerte weitere Recherche nur eingeschränkt möglich.
Die Behandlung der Gattungen gibt weltweit einen sehr guten Überblick, die in Europa vorkommenden Gattungen werden weitgehend ausführlich dargestellt, neuere Entwicklungen konnten naturgemäß nicht mehr berücksichtigt werden. Dies gilt auch für die intragenerische Gliederung mancher europäischer Gattungen. Ebesowenig kann das Lexikon auf Begriffe der in letzter Zeit sich fast revolutionär entwickelnden Molekularbiologie eingehen, deren bisherige Ergebnisse, allerdings an anderer Stelle, eine kritische Sichtung notwendig hätten.
Die Angaben zu allgemeinen Aspekten der Taxonomie sind wie die zur Nomenklatur sehr nützlich, wenn auch hier die Entwicklung in den letzten 15 Jahren weitergegangen ist. Dennoch bleibt die Erläuterung von Begriffen wie korrekter/illegitimer Name hilfreich, das Fehlen von Angaben zu valider/invalider Name bleibt jedoch eine Marginalie. Der Wert des Lexikons für den Orchideenkenner beruht ja insbesondere auf den Teilen zu Morphologie und Bestäubungsbiologie und könnte möglicherweise zu einer wünschenswerten Standardisierung in der Anwendung vieler Begriffe führen. Das äußerlich ansprechende, gut leserliche, mit SW-Zeichnungen und Photos gut, aber nicht zu üppig ausgestattete Lexikon ist jedem an Orchideen interessierten Liebhaber und Fachbotaniker wärmstens zu empfehlen und ist seinen Preis von knapp unter € 30.- bei weitem wert.