Kartierungsexkursionen der BAS in den Buntsandstein-Odenwald


(2004) Bericht zu den Kartierungsexkursionen der BAS in den Buntsandstein-Odenwald am 10. Juli (TK 6520/4) und am 5. September (TK 6421/1)
von Markus Sonnberger

Beide Exkursionen führten in den südöstlichen Teil des Buntsandstein-Odenwalds, auf die als Winterhauch (Naturraum 144.5) bezeichnete Hochfläche zwischen Buchen und Waldbrunn. Es handelt sich um eine insgesamt nur wenig durch Mulden und einige Bachrinnen gegliederte Tafellandschaft über Ablagerungen des Oberen Buntsandstein, die jedoch an ihren nördlichen und südlichen Rändern in die teils tief eingeschnittenen Seitentäler von Main und Neckar abfällt.

Die Böden der Hochfläche sind in der Regel kalkarm und sauer. Röttone und Lösslehm begünstigen Staunässe, die heutzutage jedoch meist auf die Waldbereiche beschränkt ist. Nur noch punktuell sind auch im Grünlandbereich artenreichere Standorte erhalten geblieben, so dass sich das floristische Interesse auf Wälder und Saumbereiche konzentriert. Vor allem Kiefernbestände zeigen zum Teil noch heute eine von bäuerlicher Nutzungsweise geprägte Struktur und selbst jüngere Aufforstungen mit Fichten können stellenweise noch bemerkenswerte Artenbestände aufweisen, wobei vor allem manche nur extensiv befahrenen Waldwege wertvolle Ausweichquartiere für die im Offenland meist verschollene Flora der Borstgrasrasen darstellen. Die mitunter schluchtartigen Täler tragen mancherorts noch naturraumtypische bodensaure Buchenwälder, die bedingt durch kontrastreiche Expositions- und Neigungsverhältnisse sowie einer generell besseren Basenversorgung im Vergleich zu anderen Teilen des Hinteren Odenwaldes von einer auffallend artenreichen Saumflora begleitet werden.
Bei beiden Exkursionen wurden in zumindest explorativer Weise sowohl die Hochfläche als auch der Talbereich besucht.
Die erste Exkursion führte am 10. Juli zunächst in ein Gebiet östlich und südöstlich des Dorfes Weisbach (Gemeinde Waldbrunn). Teilnehmer waren (wohl witterungsbedingt nur) M. Sonnberger (Heiligkreuzsteinach) und M. Wander (Mannheim). Ausgangspunkt war der Sportplatz, von wo aus der Viertel-Quadrant (TK 6520/41) erkundet wurde. Hier führte der Weg zunächst in Richtung einer quellreichen Mulde um die „Hasenschlägel“. Es herrschen hier, wie auch auf dem weiteren Weg, Fichtenforste mit einem gewissen Laubholz- und Kiefern-Anteil mit mehr oder weniger naturraumtypischer, jedoch überwiegend trivialer Saumvegetation vor. In diesen Beständen waren als Neufunde für den Quadranten lediglich, aber überraschend genug, Persicaria maculosa, Valeriana officinalis subsp. excelsa und Festuca nigrescens zu verzeichnen. Ein kleiner Stichweg um R 3508387/ H 5479368, der etwa 200 Meter weit in den angrenzenden NE-Quadranten der TK 6420 führte, erbrachte die bemerkenswertesten Funde des Tages. Auf dem Mittel- und Randstreifen des offensichtlich nur selten befahrenen Weges wuchs Luzula congesta in wenigen Exemplaren, wie bei dieser Art typisch. Die Art zählt zur atlantischen Flora und tritt in Baden-Württemberg als Seltenheit nur im Bereich des Winterhauchs auf. Begleitet wurde sie, außer von diversen Prunellion-Arten, von Nardus stricta, Stellaria alsine, Carex nigra, Juncus conglomeratus, Danthonia procumbens und Carex demissa sowie Torfmoosen. Derartige Gelbseggen-Wegrasen zählen zu den floristisch bemerkenswerten Beständen und sind durch Verfüllung mit nicht standortsgerechtem Wegebaumaterial, insbesondere von Muschelkalk, gerade im Bereich des Winterhauchs stark gefährdet. Nur wenig weiter fand sich auch eine kleine Kolonie von Potentilla anglica agg., eine in Baden-Württemberg anscheinend nur selten beobachtete, zumindest im hessischen Odenwald aber stellenweise recht verbreitete Hybride von Potentilla erecta und P. reptans mit ebenfalls stärker atlantisch orientiertem Areal (vgl. Handbuch). Ein bemerkenswerter Standort war ein torfmoosreiches Erlenwäldchen im Bereich einer Quellflur um R 3508598 /H 5479053 mit Carex echinata, C. demissa, C. ovalis und Agrostis canina. Insgesamt wurden 171 Arten im Viertel-Quadranten TK 6520/41 gefunden.
Die nächste Tour führte in einen wenig weiter südlich gelegenen Teil des Seebachtales, im Viertel-Quadranten TK 6520/43. Die überwiegend südöstlich bis südwestlich exponierten, mit Buchen- und Mischwäldern bestandenen Hänge sind steil. Deutlich macht sich in der Saum- und Waldflora ein höherer Basengehalt der Böden bemerkbar, durch Vorkommen von Atropa bella-donna, Campanula trachelium, Aruncus dioicus und Melica uniflora (neu für TK 6520/4). Am Fuß der Hänge liegen mehrere teils stark schüttende Quellen, die vielfach zu einer Versumpfung des entsprechend von Hygrophyten geprägten Talgrundes führen. Neben dem Seebach gibt es einige rasch fließende Seitengerinne, in denen zum Beispiel die eher seltene Berula erecta wächst. Ein Neufund ist das Mittlere Hexenkraut (Circaea intermedia), das an entsprechenden Standorten in den südlichen Odenwaldtälern aber durchaus zur typischen Flora zählt. Die Art ist ein steriler und sich nur vegetativ fortpflanzender Bastard aus der häufigen C. lutetiana und der sehr viel selteneren C. alpina, die im weiteren Umkreis zu fehlen scheint. Kolonien von C. intermedia können demzufolge als Relikte mit nur beschränktem Regenerationsvermögen aufgefasst werden. Die Art kennzeichnet naturnahe Feuchtwälder. Im Seebachtal und dem angrenzenden Salinenschlag wurden 174 Arten gefunden.
Die zweite Exkursion führte am 5. September auf den nordöstlichen Winterhauch in die Umgebung des Dorfes Stürzenhardt (Stadt Buchen). Teilnehmer waren G. Ilgenfritz (Kirchzarten), K. Langenbach (Mannheim), I. Schneider, E. Schubert (Mörlenbach), M. Sonnberger (Heiligkreuzsteinach) und M. Wander (Mannheim). Ausgangspunkt war der Wanderparkplatz 250 Meter westlich des Ortes, von wo aus der Viertel-Quadrant TK 6421/13, namentlich die Waldinsel Strüt und deren Umgebung, erkundet wurden. Schon die Umgebung des Parkplatzes mit Säumen aus Stauden und Annuellen brachte viele, überwiegend häufige Arten. Neu für die TK 6421/1 waren hier immerhin Campanula rapunculus, Carduus crispus, Epilobium ciliatum, Geranium pusillum und Lamium montanum var. florentinum. Letztere Art ist, wie auch die nahebei stehende Dianthus barbatus, wohl als Gartenauswurf zu deuten. Der Grünlandbereich um die Waldinsel zeigte sich als artenarmes Intensivgrünland und keiner näheren Betrachtung wert. Interessanter ist der Waldbereich mit – neben den unvermeidlichen Fichten-Aufforstungen – bemerkenswerten Altbeständen der Wald-Kiefer. Auch hier sind die Waldwege und deren Säume zwar die artenreichsten Strukturen, was sicher auch dadurch bedingt ist, dass zumindest die Hauptwege häufig mit allerlei Erdaushub, Bauschutt etc. überschüttet und vielfach auch dammartig überhöht werden. Die wertvollsten Strukturen sind aber die im Beerstrauch-Kiefernwald noch vorhandenen und jetzt zuwachsenden Lehmgruben. Um R 3518898 / H 5490700 finden sich dort über staunassem Boden Sphagnum-Anflüge, reichlich Molinia caerulea, Glyceria fluitans, Thelypteris limbosperma (neu für TK 6421/1), Betula pubescens, Carex acuta, C. nigra, C. canescens und C. panicea, außerdem große Kolonien von Maianthemum bifolium. Als Besonderheit der Pilzflora ist vom Fund weniger Fruchtkörper des prächtigen und sehr seltenen Violetten Schleierlings (Cortinarius violaceus s.l.) zu berichten. Auf nur extensiv befahrenen Waldwegen wächst hier Calluna vulgaris und Nardus stricta, was angesichts der weitgehenden ökologischen Verödung des Offenlandes durchaus als mitteilenswert erscheint. Der weitere Weg erbrachte als Neufund noch Hypericum desetangsii, das mit anderen Hartheu-Arten zu den charakteristischen Elementen der Waldweg-Säume des Odenwaldes gehört und wohl oft verkannt wird. Fast zurück am Ausgangspunkt wurde am südlichen Waldrand, ebenfalls im Saum eines Feldweges, ein kleiner Bestand des nur selten adventiv beobachteten Rauen Beinwells (Symphytum asperum) gefunden. Insgesamt wurden bei diesem Rundweg 200 Arten erfasst, was etwa der Hälfte der bis dato in TK 6421/1 bekannten 413 Arten entspricht. Der verständliche Wunsch nach noch mehr Arten wurde beim nur explorativen Begehen der Straßenböschung der K3916 nahe der Morre-Brücke in den Nachbar-Viertelquadranten TK 6421/31 und TK 6421/32 gut erfüllt: Im Saum des dort stehenden Waldlabkraut-Eichen-Hainbuchen-Mischwaldes (Galio-Carpinetum) und eines sich dort anschließenden trockenen Buchen-Waldes waren als Highlight des Tages große Bestände voll erblühter Prachtnelken (Dianthus superbus subsp. silvestris) zu bewundern, die einen Neufund für den Quadranten darstellen. Weitere Neufunde von hier waren Brachypodium sylvaticum, Campanula persicifolia, Galium sylvaticum, Knautia maxima, Poa chaixii und Potentilla sterilis; eine auch von der Gaimühle bekannte Artenzusammensetzung, die in den Main-Seitentälern sicher weiter verbreitet sein dürfte, worüber Exkursionen in den Folgejahren Klarheit erbringen dürften. Neu für den angrenzenden Viertel-Quadranten (TK 6421/31) waren die im unmittelbaren Straßensaum wachsenden Gräser Bromus secalinus (!) und Puccinellia distans.
Die insgesamt erfreuliche Exkursion wurde mit einer kurzen Waldbesichtigung unmittelbar beim Treffpunkt an der B27 unterhalb des Rastplatzes vor Buchen beendet. Demonstriert wurde ein für die Buchener Gegend typischer Buchen(misch)wald über Muschelkalk mit Epipactis purpurata, Aquilegia vulgaris, Cephalanthera rubra und C. damasonium, zahlreichen Waldseggen und -gräsern sowie der lokal recht häufigen Steinbeere (Rubus saxatilis).