Hodvina, S. 2012: Letzte Nachweise der in Hessen ausgestorbenen oder verschollenen Pflanzenarten.


von THOMAS BREUNIG

Hodvina, S. 2012: Letzte Nachweise der in Hessen ausgestorbenen oder verschollenen Pflanzenarten. – Botanik und Naturschutz in Hessen, Beih. 11, 341 S.; Frankfurt am Main. ISSN 1867-6804.

In Hessen gelten 143 Gefäßpflanzenarten als ausgestorben oder verschollen. Wann diese Arten das letzte Mal nachgewiesen wurden, war Thema einer umfangreichen Literaturrecherche und Herbarauswertung, die Sylvain Hodvina über einen Zeitraum von vier Jahren durchführte. Publiziert sind die Ergebnisse dieser Studie nun in Beiheft 11 der Schriftenreihe Botanik und Naturschutz in Hessen, welche von der Botanischen Vereinigung für Naturschutz in Hessen (BVNH) herausgegeben wird.

Hauptteil des Werkes ist die Darstellung der artbezogenen Auswertungsergebnisse zu den behandelten 143 Sippen – von Adonis flammea bis Wolffia arrhiza. Sie machen fast 90 % des Seitenumfangs aus.Hierfür wurden 524 Publikationen ausgewertet und 14 Herbarien aufgesucht, darunter als einziges aus Baden-Württemberg das Herbarium des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart (STU).

Vorangestellt ist eine kurze Einführung, in welcher die Methodik der Erhebungen und die Systematik der artbezogenen Angaben erläutert werden. Außerdem enthält sie eine umfangreiche Tabelle, aus der ersichtlich wird, wie viele Belege von jeder Sippe in den einzelnen Herbarien gefunden wurden. So stammen zum Beispiel aus Stuttgart 50 der insgesamt 2.119 relevanten Belege. Abgeschlossen wird die Studie mit einer Zusammenstellung, welche Änderungen sich für die Rote Liste ergeben: Immerhin 46 Arten wurden für eine oder mehrere naturräumliche Regionen Hessens neu als ehemals vorkommend nachgewiesen, während für 12 Arten in einzelnen Regionen und für zwei Arten in ganz Hessen kein konkreter Nachweis eines ehemaligen Vorkommens ermittelt werden konnte.

Die artbezogenen Auswertungen enthalten jeweils eine Tabelle mit Angaben, welches letzte Nachweisjahr sich durch die Literaturrecherche und durch die Herbarauswertung für die Art in Hessen und in seinen vier naturräumlichen Regionen ergab, wie viele Nachweise in Hessen und seinen vier naturräumlichen Regionen ermittelt wurden und wie viele ehemals besiedelte Rasterflächen (Quadranten der TK 25) diesen Funden zugeordnet werden konnten. Danach folgen eine Kommentierung der Befunde sowie detaillierte, nach Naturräumen und Quadranten der TK 25 sortierte Auflistungen der Herbar- und Literaturnachweise. Schließlich enthält das Werk zu jeder Sippe eine Raster-Verbreitungskarte mit Darstellung der ehemals besiedelten Quadranten.

Um diese detailreiche Zusammenstellung kann man die hessischen Botaniker beneiden. Eine vergleichbare Auswertung wäre auch für die in Baden-Württemberg ausgestorbenen und verschollenen Arten sehr erwünscht, doch ist zu befürchten, dass sich hier niemand finden wird, der eine solch aufwendige Recherche durchführt. Viele der behandelten Arten sind auch in Baden-Württemberg und den anderen angrenzenden Bundesländern ausgestorben, verschollen oder vom Aussterben bedroht, so dass die Ergebnisse nicht nur für hessische Botaniker von Interesse sind. Erfreulich ist, dass sich Sylvain Hodvina nicht mit der akribischen Auflistung der historischen Nachweise begnügt hat, sondern auch eine Einschätzung vorgenommen hat, welchen floristischen Status die ehemaligen Vorkommen besaßen. Er kommt dabei zu dem Schluss, dass 15 der behandelten Arten überhaupt nicht ausgestorben sind, und zwar weil sie nicht eingebürgert waren sondern ehemals nur unbeständig oder höchstens mit  Einbürgerungstendenz vorkamen. Logischerweise können Arten, die regional nie etabliert waren, regional auch nicht aussterben, da kann man dem Autor nur zustimmen.

Die Einstufungen zum ehemaligen floristischen Status der behandelten Sippen erscheinen zumeist plausibel, doch hätte man sich hier etwas mehr Transparenz gewünscht. Entsprechende Erläuterungen oder zumindest der Verweis auf ein Regelwerk, nachdem vorgegangen wurde, fehlen. So bleibt unklar, warum zum Beispiel der Kleefarn (Marsilea quadrifolia), nur an einer Stelle von 1798 bis 1854 nachgewiesen, als ehemals eingebürgert eingestuft wurde, der Schwimmfarn (Salvinia natans) dagegen nur als ehemals unbeständige Art. Dies gilt entspre¬chend auch für die gewählten Gefährdungsgrade: Gerne wüsste man, warum im Einzelfall eine wieder aufgetauchte Art als vom Aussterben bedroht, im anderen Fall als stark gefährdet eingestuft wurde.

Möglicherweise haben die sehr umfangreichen Recherchen so viel Zeit benötigt, dass diese dann ein wenig bei der Aufbereitung der Ergebnisse fehlte. Ohne großen Aufwand hätte man die Publikation nämlich etwas nutzerfreundlicher gestalten können, unter anderem durch Darstellung der Grenzen der vier naturräumlichen Regionen in den Verbreitungskarten sowie durch Definitionen der verwendeten Gefährdungsgrade und floristischen Statuskategorien. Zumindest hätten aber die in Kapitel 4 verwendeten Abkürzungen erläutert werden sollen; – dem mit der Materie Vertrauten sind sie zwar geläufig, nicht unbedingt aber jedem Leser.

Trotz dieser kleinen Mängel kann die Publikation allen sehr empfohlen werden, die sich näher mit der heimischen Pflanzenwelt befassen. Sie ist eine hervorragende Grundlage für eine Analyse, warum diese Arten ausgestorben sind, bietet sehr viele Detailinformationen zu den behan-delten Sippen und die umfangreiche Literaturliste ist eine Fundgrube. Darüber hinaus zeigen die Auswertungen, welche wichtige Bedeutung den floristischen Statusangaben zukommt, womit zu hoffen bleibt, dass diese bei aktuellen Erhebungen in stärkerem Maße dokumentiert werden als bisher. Das Beiheft kostet 17,75 Euro.