Ottich, I., Bönsel, D., Gregor, T., Malten A. & Zizka G. 2009: Natur vor der Haustür – Stadtnatur in Frankfurt am Main. Ergebnisse der Biotopkartierung. – Kleine Senckenberg-Reihe 50: 204 S.; E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart. ISBN 978-3-510-61393-9.


Besprechung von THOMAS BREUNIG

Seit 1985 führt die Arbeitsgruppe Biotopkartierung am Forschungsinstitut Senckenberg Untersuchungen zu Flora, Fauna und Biotopen in Frankfurt am Main durch. Mit dem vorliegenden Band aus der Kleinen Senckenberg-Reihe sollen die „Ergebnisse zur Biodiversität durch Publikation auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht und „einige neuere Ergebnisse der Arbeitsgruppe Biotopkartierung“ präsentiert werden.
Ein einführender Teil enthält allgemeine Informationen zum Frankfurter Stadtgebiet, einen kleinen Überblick zu den Frankfurt betreffenden botanischen Sammlungen des Senckenberg-Instituts sowie Informationen zur Biotopkartierung selbst und den dabei durchgeführten Untersuchungen.
Im anschließenden Hauptteil werden auf 127 Seiten Lebensräume des Stadtgebiets vorgestellt: Streuobst, Grünland, Magerrasen und Heiden, Brachen, Fließgewässer, Stillgewässer und Wald. Unter dem Motto „Bio-diversität erleben“ werden außerdem drei Spaziergänge durch den Stadtwald und zwei besondere Biotope in Frankfurt beschrieben: das Lönswäldchen und der Alte Flugplatz.
Den Abschluss bilden ein sechsseitiger Überblick zu den Naturschutzgebieten in Frankfurt, ein Ausblick auf die Stadtnatur der Zukunft und ein Anhang mit einer Reihe von Artenlisten.
Der Band ist reich bebildert, die Bilder sind dabei von recht unterschied-licher Qualität. Neben den zum Teil hervorragenden Pflanzen- und Tierporträts fallen die Vegetations- und Landschaftsbilder zum Teil stark in ihrer Qualität ab. Die Bildunterschriften sind nicht immer treffend, zum Beispiel wenn es bei Abb. 40 heißt „Grünland ist ein prägendes Landschaftselement“, abgebildet sind jedoch landschaftsprägende Kopfweiden. Bei den abgebildeten Herbarbelegen fehlt leider die Angabe, um welche Arten es sich handelt.
Nicht sehr vergnüglich ist das Lesen der Texte. Man war sich offensichtlich nicht im Klaren, wen man mit der „interessierten Öffentlichkeit“ ansprechen wollte. So reichen die Formulierungen vom Fachchinesisch (S. 54: „ Die […] Zwergstrauchheide ist geprägt von der Dominanz der Calluno-Ulicetalia-Ordnungskennart Besenheide (Calluna vulgaris)“ bis hin zu banalen Aufzählungen wie der, dass ein Baum aus Wurzeln, Stamm, Ästen, Rinde, Blättern, Blüten, Früchten, abgestorbenen Ästen und Baumhöhlen bestehen kann und dass dies unterschiedliche Habitattypen im Lebensraum Streuobst sind (S. 29). Vielfach verwendet wird ein „naturschutzfachliches Gutachterjargon“, dabei wird der Begriff Biodiversität sehr strapaziert. So wird der interessierte Laie eher abgeschreckt und der sachkundige Leser langweilt sich.


Auffällig sind eine Reihe von Nachlässigkeiten und Ungereimtheiten. Verwundert liest man gleich in der Einleitung dass das „heutige Gesicht der Stadt vor allem durch Eingemeindungen kleinerer Ortschaften geprägt“ ist und fragt sich, ob man bislang ein völlig falsches Bild von Frankfurt am Main im Kopf hatte. Wenn man anschließend erfährt, dass der Waldanteil von über 15 % ungewöhnlich für eine deutsche Großstadt ist (nochmals auf S. 156: „beeindruckende Zahlen“), möchte man den Autoren eine zehnminütige Internetrecherche zu den Verhältnissen in anderen deutschen Großstädten empfehlen. Bei den Schätzungen, dass bis weit über 5.000 Tierarten Streuobstbestände nutzen, wünscht man sich eine Quellenangabe, und bei der Aussage, dass der Biotoptyp Streuobst weniger Merkmale geschlossener Ökosysteme aufweist als andere Lebensraumtypen (S. 33) möchte man gerne verstehen, was gemeint ist. Zu Recht weisen die Autoren darauf hin, dass der wissenschaftliche Nutzen eines Herbarbelegs höher ist als der einer Fundortangabe. Doch dass sie dafür als Beispiel ausgerechnet eine Fundortangabe für den kaum verwechselbaren Diptam [„an der Hinkelsteinschneise“] anführen anstatt eine bestimmungskritische Sippe zu nennen, ist nur eine von vielen weiteren Nachlässigkeiten.
Wie wenig an den Leser gedacht wurde, zeigt auch Tabelle VI im Anhang, in der die letzten Angaben zum Vorkommen von Arten lichter Wälder im Frankfurter Stadtwald aufgelistet sind. Wie spannend wäre es hier – über¬sichtlich chronologisch geordnet – zu erfahren, wann welche Art aus dem Stadtwald verschwunden ist. Statt dessen sind die Arten ungeschickterweise alphabetisch nach ihrem deutschen Namen aufgelistet – die Ästige Graslilie steht so am Anfang, die Traubige Graslilie fast am Ende der Liste. Gesteigert wird die Unübersichtlichkeit der Liste noch dadurch, dass sie neben verschwundenen Arten auch solche enthält, die noch vor wenigen Jahren im Stadtwald nachgewiesen wurden und die nach Tabelle V auch aktuell noch vorkommen.
So bleiben Wünsche für die Zukunft:  Die Auftrennung der Ergebnisse der Biotopkartierung in eine anschaulichere Beschreibung der Frankfurter Stadtnatur für den Naturinteressierten und in eine separate, inhaltlich deutlich angereicherte Veröffentlichung mit umfassender Darstellung der Ergebnisse der Biotopkartierung für Fachkreise, zum Beispiel mit Flächenstatistiken zu allen erfassten Biotoptypen und mit Häufigkeitsangaben zu den erfassten Arten. Und schließlich bleibt zu wünschen, dass sich das Forschungsinstitut Senckenberg für seine Veröffentlichungen in Zukunft eine redaktionelle Bearbeitung leisten kann, die es laut Impressum für den vorliegenden Band nicht gab.