Kartierwochenende im Mittleren Schwarzwald am 26./ 27. Juni 2004


THOMAS BREUNIG

Die Erfassung der Farn- und Samenpflanzen im Quadranten 7514/4 war Ziel des Kartierwochenendes am 26. und 27. Juni. Dieses Gebiet liegt hauptsächlich im Nordrachtal (Mittlerer Schwarzwald, Ortenaukreis). Unter den vollständig in Baden-Württemberg gelegenen Quadranten war er mit 257 Sippen bislang derjenige mit den wenigsten Artnachweisen.
Der Einladung gefolgt waren acht Mitglieder der BAS. Gespannt waren wir darauf, ob das Nordrachtal tatsächlich eines der artenärmsten Gebiete Baden-Württembergs ist, oder ob die geringe Zahl der nachgewiesenen Arten lediglich einen geringen Erfassungsgrad der heimischen Flora dokumentiert. Der Blick auf die reich gegliederte Kulturlandschaft des Nordrachtals stimmte uns bald hoffnungsfroh und ließ viele Neunachweise erwarten.


An den beiden Tagen wurde bei einer Halbtagsexkursion angestrebt, möglichst alle Sippen eines kleinen Kartiergebiets (innerhalb eines Radius von 250 bis 300 m) zu erfassen. Nachmittags schloss sich jeweils eine Exkursion an, bei der nur bis dahin nicht nachgewiesene, seltenere und bemerkenswerte Sippen notiert wurden.
Kartiergebiet am Samstagvormittag war das Nordrachtal im Bereich Hintertal (etwa 300-335 m ü. NN) und der Hang westlich davon (bis 440 m ü. NN), der sich zwischen Heidenbühl und Hasenberg in Richtung Kohlberg hinaufzieht. Bereits nach wenigen Metern stießen wir auf einen vor kurzem aufgelassenen Feldgarten, in dem mit Amaranthus retroflexus, Chenopodium polyspermum, Epilobium tetragonum s.str., Euphorbia lathyris (synanthrop), Geranium dissectum, Papaver rhoeas und Portulaca oleracea eine Reihe bisher nicht nachgewiesener Sippen wuchs. Der anschließende, teils als Weide, teils als Wiese genutzte Hang bot ein breites Standortspektrum. Neunachweise waren hier auf mäßig trockenen, südost-exponierten Böschungen Bromus erectus (Wegböschung), Carex muricata subsp. lamprocarpa, Plantago media und Poa angustifolia; auf frischen Standorten Crepis capillaris und Symphytum officinale und schließlich in einer feuchten bis nassen Hangmulde Epilobium obscurum und Juncus conglomeratus. Am oberen Ende dieser Mulde wuchs auf einem selten benutzten Weg, direkt am Waldrand, ein kleiner Bestand der landesweit seltenen, im Mittleren Schwarzwald aber zerstreut auftretenden Isolepis setacea.
Etwas weiter südlich, am Nordrand des Heidenbühl-Waldes, ging es den Hang wieder hinunter zur Nordrach. Hier entdeckten wir am Waldrand einen kleinen Magerrasen mit Calluna vulgaris, Danthonia decumbens, Nardus stricta und Ranunculus bulbosus, dem sich unterhalb eine Magerweide mit Polygala vulgaris subsp. oxyptera anschloss.
Neues boten auch die Straße im Nordrachtal und die Ufervegetation der Nordrach. Auf der Straßenböschung wuchs ein schöner Bestand von Verbascum nigrum, an der straßenbegleitenden Trockenmauer ein Exemplar von Asplenium adiantum-nigrum und ein großer Bestand von Cymbalaria muralis, direkt auf der Straßenrabatte schließlich einige Exemplare von Dianthus armeria. Am Ufer der Nordrach kartierten wir neben den bereits nachgewiesenen Arten Carex pendula, und Mimulus guttatus auch Geranium columbinum (auf einem Felsblock), Reynoutria sachalinensis (kleiner Bestand) und Salix fragilis.
Kurz vor dem Ausgangspunkt der Kartierexkursion in Hintertal fanden wir schließlich auf einer Ruderalfläche zwischen Straße und Nordrach (Lagerfläche mit verdichtetem Boden, Pfützen und Erdablagerungen) zahlreiche Arten, die in der umgebenden Feldflur nicht vorkamen. Hier wuchsen unter anderem Alisma plantago-aquatica, Carex otrubae, Lactuca serriola, Lepidium virginicum, Poa palustris, Rorippa palustris, Scleranthus annuus, Spergula arvensis, Trifolium hybridum und Typha latifolia. Insgesamt stellten wir entlang der innerhalb eines Radius von 250 m um R 3433240 H 5363800 gelegenen Kartierstrecke 283 Sippen fest.
Nachmittags schloss sich eine Exkursion ins oberste Nordrachtal (470-560 m ü. NN) nordöstlich von Nordrach-Kolonie an. Hier wuchsen entlang des Baches und im Wald die am Vormittag noch nicht beobachteten Hochstauden und Farne Adenostyles alliariae Dryopteris affinis, Festuca altissima, Ranunculus aconitifolius, Senecio ovatus und Thelypteris limbosperma. Auf einer seit langem brachliegenden Wiese erinnerten Carex demissa, Carex echinata, Carex panicea, Galium saxatile und Viola palustris daran, dass hier einmal ein Kleinseggen-Ried und ein Magerrasen vorkam.
Kartiergebiet am Sonntagvormittag war die am Talanfang des Moosbächle (der Nordrach von Nordwesten zufließend) gelegene Rodungsinsel Moosbach. In einer Höhenlage von 510 bis 610 m ü. NN gibt es hier überwiegend extensiv bewirtschaftetes Grünland, einige Höfe mit angrenzenden Gärten, kleine Ruderalflächen (Abgrabungen und eine große Erdaufschüttung), ein Bachlauf und mehrere wasserführende Gräben. An bemerkenswerten Grünlandarten fanden wir in den Magerwiesen Alchemilla acutiloba, Dactylorhiza maculata, Hieracium lactucella, Listera ovata, Platanthera chlorantha und Polygala serpyllifolia. In den Feucht- und Nasswiesen wuchsen Carex nigra, Dactylorhiza majalis (zahlreich), Eriophorum angustifolium, Hypericum humifusum (Trittstellen), Ranunculus aconitifolius und Viola palustris.
Auf Ruderalflächen wuchsen Artemisia vulgaris, Barbarea intermedia (wenige Exemplare), Geranium pyrenaicum sowie die aus den Gärten verwilderten Arten Helianthus tuberosus und Tanacetum parthenium. Selbst die seit wenigen Jahren im Schwarzwald eingewanderte Senecio inaequidens hat den Weg ins abgelegen Moosbächletal schon gefunden und trat mit einem Exemplar auf einer großen Erdhalde auf. Interessant war schließlich auch die Flora der Gräben. In einem wegbegleitenden Graben am Waldrand wuchsen Carex demissa, Carex pendula, Isolepis setacea und Juncus bulbosus, an etwas trockeneren Stellen auch Linum catharticum. Ein frisch ausgehobener Graben in Hofnähe überraschte uns mit einem großen Bestand von Montia fontana (die Unterart ist noch zu bestimmen). Insgesamt stellten wir entlang der innerhalb eines Radius von 250 m um R 3433660 H 5366720 gelegenen Kartierstrecke 262 Sippen fest.
Die abschließende Exkursion führte uns am Sonntagnachmittag vom Sportplatz in „Vor Ernsbach“ über Vorder Schrofen nach Hinter Schrofen und über die Feldflur südöstlich davon wieder zurück zum Sportplatz. Notiert wurden vor allem einige bislang noch nicht nachgewiesene Ackerwildkräuter und Ruderalarten, die wir im Ort, im Bereich eines Sägewerks, an Wegrändern und auf Wegböschungen fanden, zum Beispiel Anthemis arvensis, Artemisia absinthium (ein Exemplar am Wegrand), Atriplex patula, Chenopodium ficifolium, Melilotus albus, Papaver somniferum (unbeständig), Sedum hispanicum (verwildert an einem Wegrand) und Vulpia myurus.
Insgesamt ergaben die vier Exkursionen den Nachweis von 380 Sippen. Weitere 12 Sippen kamen durch die Auswertung einer Artenliste von K.H. Harms hinzu, die er bei einer Exkursion in den Quadranten am 23. Mai 2004 erstellte. Er beobachtete unter anderem Ornithopus perpusillus (an zwei Stellen in Löcherberg), Orobanche rapum-genistae (eine Pflanze am Weg von Löcherberg zur Heidenkirche), Phyteuma nigrum, Poa humilis und Scleranthus perennis (Löcherberg),
Von den bislang aus dem Gebiet bekannten Sippen konnten 226 Sippen (88 %) wieder nachgewiesen werden, die übrigen dürften bei gezielter Suche ebenfalls wieder zu finden sein. Neu nachgewiesen wurden für das Gebiet 166 Sippen. Aktuell sind somit Nachweise für 392 Sippen, und insgesamt nachgewiesen sind für den Quadranten 423 Sippen. Bedenkt man, dass die Fläche, welche die vier Exkursionsrouten abdecken (errechnet über den Radius um den Mittelpunkt des Kartiergebiets), zusammen nicht einmal einen Quadratkilometer des etwa 34 km² großen Quadranten beträgt, ist es sehr wahrscheinlich, dass bei weiteren Exkursionen – zu anderen Jahreszeiten und in andere Bereiche des Quadranten – auch jetzt noch eine Reihe von Arten neu nachgewiesen werden könnte. Damit deutet sich an, dass der Mittlere Schwarzwald bei weitem nicht so artenarm ist, wie es das Grundlagenwerk „Die Farn- und Blütenpflanzen Baden-Württembergs“ zeigt.