Tägliche Archive: 22. Dezember 2020


Aufruf zu Erforschung der Gattung Alchemilla in Baden-Württemberg

von RICO KAUFMANN

Seit etwa 10 Jahren beschäftige ich mich mit der Gattung Alchemilla, wobei ich erst im letzten Jahr Baden-Württemberg dahingehend etwas näher erkundet habe. Mich reizt die Einfachheit der Pflanzen mit einer überschaubaren Anzahl von Merkmalen, die in meinen Augen dennoch gut für eine Unterscheidung geeignet sind, selbst bei ausschließlicher Berücksichtigung der Blattmerkmale. In den letzten Jahrzehnten waren insbesondere Gerold Hügin, Sigurd Fröhner, Heinz Kalheber und Wolfgang Lippert in Südwestdeutschland und Baden-Württemberg aktiv und haben direkt oder indirekt durch z. B. Herbar­belege die Verbreitung der Arten untersucht. Dabei sind bereits einige größere Veröffentlichungen für Baden-Württemberg und die angrenzenden Gebiete entstanden (Hügin 2006, Hügin & Fröhner 2009, Hügin & Fröhner 2012).

Ich werde im Laufe der nächsten Jahre die Gattung Alchemilla im Schmeil-Fitschen bearbeiten und möchte zusätzlich gern einen Bestimmungsschlüssel für Baden-Württemberg entwickeln, der nur die hier vorkommenden Arten behandelt und der einfach zu handhaben ist. Dafür benötige ich jedoch noch Informationen über die Verbreitung insbesondere der bislang als eher selten eingeordneten Arten, da ich die Variabilität der Merkmale berücksichtigen möchte. Außerdem vermute ich, dass einige der Arten der Vogesen auch im Hochschwarzwald vorkommen könnten, z. B. A. lunaria und A. flabellata. Letztere fand ich im August dieses Jahres auf dem Gipfel des Grand Ballon. Zuvor gab es aus den Vogesen nur einen veröffentlichten Nachweis vom Hohneck (Ochsenbein 1959). Mein schönster Fund war in diesem Jahr A. crinita im baden-württembergischen Allgäu auf einer Nasswiese bei Bad Wurzach, ein Erstnachweis für das Messtischblatt 8025. Die Art könnte im Gebiet, insbesondere in Richtung der Alpen, weiterverbreitet sein.

Hiermit möchte ich dazu aufrufen, mir gerne Fotos von Alchemilla-Arten, insbesondere mit gut erkennbaren Oberseiten der zur Bestimmung relevanten Grundblätter sowie der Blattstielbehaarung, per E-Mail (rico.kaufmann@mail.de) zu schicken. Die Blätter sollten jedoch im trockenen Zustand, also z. B. nicht direkt nach einem Regenschauer fotografiert worden sein. Herbarbelege schaue ich mir auch gern an. Zum Bearbeiter der Gattung im Rothmaler, Sigurd Fröhner, habe ich bereits Kontakt.

 

Hügin, G. (2006): Die Gattung Alchemilla im Schwarzwald und seinen Nachbargebirgen (Vogesen, Nord-Jura, Schwäbische Alb). Berichte der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland, Beiheft 2.

Hügin, G. & Fröhner, S. (2009): Die Gattung Alchemilla im Französischen und Schweizer Jura. Verbreitungskarten, Neubeschreibungen, Abbildungen, Bestimmungs- und Merkmalstabellen. Kochia 4, 47-134.

Hügin, G. & Fröhner, S. (2012): Die Gattung Alchemilla im Französischen und Schweizer Jura. Fortsetzung 1: Alchemilla pseudodecumbens spec. nov. Kochia 6, 29-62.

Ochsenbein, G. (1959): La végétation du Hohneck, Bulletin de la Société Botanique de France, 106:sup2, 37-60.


Schubert, Enno 2020: Die Pflanzenwelt des Weschnitztals und seiner Randgebiete. – 312 S.; Herausgeberin und Bezug: Botanische Vereinigung für Naturschutz in Hessen e. V., Schiffenbergerstraße 14, 35345 Wettenbreg, E-Mail: info@bvnh.de [ISBN: 978-3-00-065375-99]

von SIEGFRIED DEMUTH

Die Weschnitz ist ein kleiner Fluss im Grenzgebiet zwischen Hessen und Baden-Württemberg. Sie entspringt im hessischen Hammelbach, fließt durch den Odenwald bis ins badische Weinheim, um hier aus dem Mittelgebirge in die Oberrheineben auszutreten. Von hier verläuft sie weiter nach Nordwesten, um (wieder in Hessen) bei Wattenheim nach rund 55 km in den Rhein zu münden.

Eine ausführliche Darstellung der Naturräume und ihrer Besonderheiten, der Geologie und der Lebensräume führt in das Untersuchungsgebiet ein, bereichert durch zahlreiche Bilder.

Die Flora umfasst ein etwa 105 km² großes Gebiet zwischen der Quelle und dem Austritt in die Rheinebene mit Anteil an zehn Naturräumen. Zwischen 1993 und 2018 wurde vom Autor eine systematische Rasterkartierung auf 64stel-Quadranten der TK 25 durchgeführt. Dazu wurden jeder der ca. 2,1 km² großen Quadranten fünfmal zu verschie­denen Jahreszeiten begangen. Dabei wurden alle wildwachsenden, etablierten, in Etablierung begriffenen sowie öfter auftretende unbeständige Farn- und Samenpflanzen erfasst. Festgestellt wurden in diesen 26 Jahren 1.046 Sippen; dazu kommen knapp einhundert, die aus der Zeit vor 1990 bekannt waren, danach aber nicht mehr bestätigt werden konnte. In den artenreichsten Rasterflächen konnten über 500 Sippen nachgewiesen werden (Spitze sind 546), in den „artenärmsten“ immerhin noch über 300! Allein diese Zahlen sprechen für eine sehr gründliche Durchforschung dieses landschaftlich sehr reichen Gebiets.

Dargestellt werden die Sippen mit einer Rasterverbreitungskarte, die nicht nur das Vorkommen des Fundes in einem Raster angibt, sondern auch die ungefähre Menge in einer fünfstufigen Skala. Dazu gibt es Angaben zu Standort, naturräumlicher Verbreitung, Bestandsgröße, den floristi­schen Status im Gebiet sowie zu Vorkommen außerhalb des Unter­suchungsraums. Was besonders lesenswert ist – nicht nur für Kenner des Weschnitztals – sind die Beobachtungen des Autors in den mehr als 25 Jahren über Rückgänge und Zunahmen von Populationen und ihrer möglichen Ursachen. Solche spezifischen Kenntnisse kann keine Karte wiedergeben. Abgeschlossen wird die Flora des Weschnitztals mit einer Auswertung dieser großen Datenmenge in Bezug auf Areale, Zeigerwerte, Ausbreitungs- und Rückgangstendenzen in Abhängigkeit von Gefährdung und Etablierungsgrad, jeweils bezogen auf die Naturräume.

Wer jetzt Lust bekommt, sich selbst eine Eindruck von dieser sehens­werten Landschaft und ihre Pflanzenwelt zu machen, dem wird geholfen: Vorgestellt werden am Ende des Buches 186 Biotope und Biotopkomplexe mit bemerkenswerten Pflanzenvorkommen. Leicht zu finden durch genaue Ortsbeschreibungen und Karten. Gegliedert werden die Biotope in Feuchtgebiete, Gebiete mit Magerwiesen, Mager- und Trockenrasen, Wegböschungen und Wegränder (ideal für botanische Spaziergänge!), Felsen und Mauern, Ruderalflächen, Äcker, Wälder und – was den Rezensenten besonders freut – sechs Friedhöfe.


Von Blumen, Pflanzen und so manchem mehr

PETER MÜLLER, Karlsruhe

Es war einmal ein älterer Herr, der eigentlich schon von Kindesbeinen an gerne auf Blumen schaute und sich an ihrem Anblick erfreuen konnte. Als er schon ein wenig älter geworden war und einen Fotoapparat besaß, kniete er sich regelmäßig vor ganz besonders schönen Exemplaren nieder und machte davon ein Bild, das er zu besonderen Anlässen gerne auch verschenkte. Zwar interessierte er sich dafür, wie die Blümchen hießen. Aber das war ihm nicht wirklich wichtig, zumal er feststellte, dass es eine ziemliche Mühe bereitete, unbekannte Arten in seinen Büchern aufzuspüren. Also hatte er sich, ohne darunter zu leiden, damit abgefunden, die Namen mancher der Schönheiten zu kennen, die der Mehrzahl aber nicht.
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Einzel-Fundmeldungen per Internet 2020

von SIEGFRIED DEMUTH

Von Januar bis November 2020 wurden von 61 Botanikerinnen und Botanikern 1.533 Einzelfunde bemerkenswerter Pflanzenvorkommen auf unserer Internetseite gemeldet – von Agrimonia procera von der Hohenloher-Haller Ebene (6726/4, Detlef Wucherpfennig, 11.10.2020) bis zu Xanthium strumarium aus der Offenburger Rheinebene (TK 7513/1, Philippe Verstichel, 1.8.2020).

Am häufigsten gemeldet wurden Prunus cerasifera (31), Cephalanthera damasonium (16), Galium pomeranicum (12), Crepis pulchra (10), Lycopodium annotinum (9), Gagea villosa (8), Taraxacum sectio Erythrosperma (8), Chenopodium bonus-henricus (8), Digitalis grandiflora (7).

Interessante Meldungen erhielten wir zum Beispiel von:

Claudia Antesberger aus dem Rhein-Neckar-Kreis (Anchusa officinalis, Galatella linosyris, Orobanche amethystea, Seseli annuum);

Rolf Borlinghaus aus dem Kraichgau (Anemone sylvestris, Barbarea intermedia, Conium maculatum, Lithospermum arvense, Pulmonaria montana);

Christiane Edler aus Karlsruhe (Nassella tenuissima, Torilis nodosa);

Heiko Himmler aus dem nördlichen Oberrheingebiet (Catapodium rigidum, Filago arvensis, Oenanthe lachenalii, Verbascum blattaria);

Helmut Läpple aus dem mittleren Oberrheingebiet (Allium angulosum, Armeria maritima subsp. elongata, Cephalanthera longifolia, Myosurus minimus, Ranunculus sardous);

Manuel Ledermann aus dem Schönbuch (Anchusa officinalis, Asplenium viride, Ranunculus arvensis, Crepis pulchra, Pedicularis sylvatica Trifolium ochroleucon) und von

Sabine Zipp ebenfalls aus dem Schönbuch (Lithospermum arvense, Pulicaria dysenterica, Verbascum blattaria).

 

Die genauen Angaben zu diesen und vielen weiteren interessanten Funden können auf unserer Internetseite (www.botanik-sw.de) unter „Übersicht Fundmeldungen“ eingesehen werden. Hier können die Arten sowohl unter ihrem wissenschaftlichen als auch unter ihrem deutschen Namen gesucht werden, zu vielen Arten sind zudem Fotos vorhanden. Ebenfalls kann hier recherchiert werden, welche und wie viele Nachweise für die einzelnen Kartenblätter der Topographischen Karte 1:25.000 (TK 25) bisher eingegangen sind, wobei die hinterlegte Datenbank sowohl die Einzelfundmeldungen per Internet enthält als auch die Artenlisten von zahlreichen BAS-Exkursionen.

Die meisten Fundmeldungen wurden uns 2020 geschickt von:

  Meldungen 2020 Meldungen insgesamt
Philippe Verstichel 352 1.495
Detlef Wucherpfennig 297 2.054
Steffen Wolf 116 244
Rolf Borlinghaus 112 156
Manuel Ledermann 84 594
Konrad Greinwald 76 109
Helmut Läpple 60 398
Ingrid Brenk 44 253
Hansjörg Glauner 44 395
Klaus Müller 42 59

 

Ihnen und auch allen anderen Melderinnen und Meldern danken wir herzlich für Ihre Mitteilungen! Dank gilt auch Uwe Amarell, der bei den meisten Fundmeldungen die Plausibilitätsprüfung vorgenom­men hat.

Wir ermuntern alle Mitglieder, weiterhin Meldungen an die BAS zu schicken. Das Winterhalbjahr bietet sich an, bemerkenswerte Einzel­beobachtungen der Kartiersaison 2020 zu melden, die sonst nur in der Schublade verschwinden würden. Ebenso willkommen sind aber auch ältere, schon einige Jahre zurück liegende Beobachtungen, sofern der genaue Fundort und das genaue Funddatum noch bekannt sind.


Exkursionen der Regionalgruppe Kurpfalz 2020

von MARKUS SONNBERGER, Heiligkreuzsteinach

Samstag, 27. Juni: Naturraum; Bauland/Sandstein-Odenwald; Baden-Württemberg; Elztal; 6621/1; Neckarburken. „Bürgerwald-Heppenstein“; Magerwiesen, Kalk-Wald; Treffpunkt: 11:00; Bahnhof Neckarburken; N 49,37834°  O 9,16321°.

Die erste Exkursion startete aufgrund der Corona-Krise erst spät, nämlich Ende Juni. Und war auch eher ein touristischer Termin. Erfreulich war dementsprechend die mit 10 Personen ganz ordentliche Teilnehmerzahl. Zuerst sollte ein Gebiet begangen werden das – im geologischen Übergangsbereich von Bauland zu Odenwald gelegen – eine besonders hohe Struktur- und Standortsvielfalt aufweist. Vom Neckarburkener Bahnhof ging es nach Nordosten in Richtung des NSG „Landschaft um den Heppenstein“ (östlicher Teil) am „Zimmerplatz“. In der Klinge hinter den Häusern stehen noch Buntsandstein-Klippen an. Mit Überwindung der kleinen Steilstufe erreicht man oberhalb des „Roteberg“ ein schon stark vom Kalkgehalt des Muschelkalkes geprägtes Wiesen- und Acker­gelände. Die Aufrechte Trespe (Bromus erectus) dominiert hier die trockeneren Stellen im Grünland, die waldnahen Säume an der Weg­böschung sind artenreich, wenn auch nicht gerade hervorragend. Am NSG „Orchideenwiese“ hätten wir nun eine nochmals deutlich bessere Situation erwartet. Leider waren aber selbst die bekanntermaßen an Orchideen reichen Flecken abgemäht, der Fruchtansatz der früher blühenden Arten und natürlich auch die Sommerblüher also vernichtet.

Überhaupt macht das Grünland auch von der Nutzungsintensität her nicht gerade den Eindruck eines Naturreservates. Hinter dem NSG (östlich davon) sind wir dann durch den Wald weiter nach oben gegangen. Über Muschelkalk sind hier artenreiche Laub-Mischwälder entwickelt, durch­mischt mit einzelnen Kiefern. Seidelbast (Daphne mezereum), Akelei (Aquilegia vulgaris), Weißes (Cephalanthera damasonium, verblüht) und Rotes Waldvögelein (C. rubra, gerade blühend) waren verbreitet und sind auch typisch für diese Gegend. Auch die charakteristischen Austriebe der Violetten Ständelwurz (Epipactis purpurata) waren schon zu finden. Auf der Hochfläche wendete sich unsere Exkursion Richtung Westen. Der freundliche Revierleiter vom Forstamt, der unsere Exkursion kenntnisreich begleitete, wies uns auf die prächtigen, gerade aufblühenden Türken­bund-Lilien (Lilium martagon) hin. Die Art besitzt im Bauland und Odenwald eine sehr fleckenhafte Verbreitung, kann dann aber lokal in (relativ) größerer Zahl vorkommen, so wie verschiedentlich im unteren Elztal. Im Bereich des „Heppenstein“ kommt man wieder auf eine Hochfläche mit teils wasserstaudem, mergeligem Muschelkalk. Es ist ein klassisches Beobachtungsrevier für Insekten- und Pflanzen-Freunde und war glücklicherweise noch nicht unters Messer gekommen. Das Gebiet steht schon lange unter Naturschutz und wurde 1940 als „Reliktföhrenwald auf dem Heppenstein“ erstmals verordnet. Der alte Name stammt her vom mutmaßlichen Zusammenhang zwischen Funden von Kiefernholzkohle am Neckarburkener Römerlager und den urwüchsig scheinenden Kiefern auf der Muschelkalkhöhe. Tatsächlich könnte die Kiefer an diesen Standorten auch urwüchsig sein und ganz sicher waren hier auch die Römer unterwegs, bietet der Aufstieg über Roteberg und Heppenstein doch den einfachsten, karrenbefahrbaren Zugang auf die Odenwald-Hochfläche, wo hier auch der Odenwald-Limes liegt. Die immer noch prägenden Altwege-Gleise bieten heute ein beson­ders interessantes Standortsmosaik.

Der aktuelle Kiefernwald auf dem Heppenstein ist überwiegend forstlichen Ursprungs, wie schon die reichliche Anwesenheit der Schwarz-Kiefer verrät. Der Revierleiter wusste zu berichten, dass der Bestand in der ersten Hälfte des 20. Jh. mit der Absicht angelegt wurde, Grubenhölzer für die Bergwerke im „Osten“ bereit zu stellen. Das langsame Wachstum auf dem kargen Boden sollte wohl für ein besonders dichtes Holz sorgen. Insgesamt macht der Standort auch heute noch eher den Eindruck eines dealpinen Schneeheide-Kiefernwaldes, wie man ihn etwa am mittleren und unteren Lech findet. Im Unterwuchs dominieren Pfeifengras (Molinia arundinacea) und Berg-Segge (Carex montana). Auch die Strauchschicht ist artenreich, wobei Liguster und Wacholder zu den dominanteren Arten gehören. Damit die Gehölze nicht wie anderenorts Überhand nehmen, wird hier unter den Kiefern jeweils im Herbst gemäht. Es sei angemerkt, dass die Mahd des Pfeifengrases zur Blüte von Fransen- (Gentianopsis ciliata) und Deutschem Enzian (Gentianella germanica) erfolgt, was offensichtlich zu dramatischen Bestandseinbußen geführt hat.

Zur Zeit unserer Exkursion, zu Beginn des Hochsommers, zeigt sich das Gebiet aber in seiner schönsten Pracht. Zum Teil massenhaft blühen die Orchideen, wie Mücken-Händelwurz (Gymnadenia conopsea) und Wohl­riechende Händelwurz (G. odoratissima), die hier ihr letztes reichlicheres Vorkommen in Nordbaden hat. Die Echte Sumpfwurz (Epipactis palustris) hat indes mit der Trockenheit sehr zu kämpfen – und auch mit dem Andrang der Orchideenliebhaber, die den früher blühenden Arten zum Teil in Scharen ihre Aufwartung machen und die eher unscheinbaren Austriebe der Sumpfwurz platttreten. Eine effektivere Besucherlenkung haben wir vor Ort diskutiert, zumal offensichtlich auch der Wacholder „ein Problem“ hat, wie zahlreiche absterbende Sträucher beweisen. Trocken­heit dürfte hier eher nicht als Ursache in Frage kommen, wahrscheinlicher ist, dass auch hier mikrobielle Erreger wie Phytophtora cinnamomi/ austrocedrae angekommen sind. Und die werden bekanntermaßen durch die Füße von Wanderern ausgebreitet.

Der weitere Weg führte dann rasch wieder hinab zum Bahnhof, wo sich ein Teil der Teilnehmer auf den Rückweg machte, während die anderen einen zweiten Rundgang anvisierten. Auf dem Bahnsteig fiel einem unserer Teilnehmer (PBK) schließlich noch ein kleines Pflänzchen auf, das wir hier nicht vermutet hätten, nämlich das seltene Behaarte Bruchkraut (Herniaria hirsuta). Die Art tritt bedeutend seltener auf als das mittlerweile recht häufige Kahle Bruchkraut (H. glabra) und wurde in der Umgebung z. B. in Pflasterfugen des Mosbacher Marktplatzes gefunden. Aus floristischer Sicht war das kleine, kronblattlose Nelkengewächs jedenfalls der Fund des Tages.

Samstag, 1. August: Naturraum; Bauland; Baden-Württemberg; Adels­heim; 6622; 1; Adelsheim, „Wirsching-Burgstall-Au“; Laub-Misch­wald, Kleebwald, Grünland; Treffpunkt: 11:00; Adelsheim, Rohnstockweg, Seckachtal-Stadion; N 49,39899°  O 9,39142°. Rosenberg; 6523; 1; Hirschlanden, „Ortslage-Reissig“; Ortslage, Grünland, Äcker, Laubwald; schlechter Kartierstand (12 Arten); Treffpunkt: 16:00; Hirschlanden, Sportplatz; N 49,47095°  O 9,50140°.

Die nächste Exkursion führte gleich wieder ins Bauland, das überhaupt noch einige weiße Flecken bezüglich Kartierdichte aufweist. Die Mittagstour hatte das Seckachtal südlich von Adelsheim zum Ziel. Die Region wurde von Meszmer (1998: Flora des Neckar-Odenwald-Kreises. Laub, Dallau) in der Vergangenheit gut untersucht. Neuere Beobach­tungen liegen aber kaum vor. Insgesamt war auch hier die extreme Trockenheit ein großes Problem, dennoch war noch nicht alles verdorrt. Der Weg führte zunächst am Osthang unterhalb des „Rohnstock“ durch Laub-Mischwald, der noch einige Charakterarten landschaftstypischer Edellaubholz-Mischwälder aufwies, überwiegend aber durch fortstliche Maßnahmen und rücksichtslose Holzwerbung ruderalisiert war. Am Wegrand fand sich eine größere Kolonie der Moschus-Erdbeere (Fragaria moschata) wie sie einem im mittleren Bauland immer wieder begegnen. Vielleicht ist diese Art hier tatsächlich heimisch. Nördlich vom „Wirsching“ liegen am Südhang über der Seckachaue schöne Offenland-Bereiche mit Streuobst, Trockenmauern und Halbtrockenrasen. Schwertlilien (Iris sect. Iris) waren zu finden, und im Frühjahr gibt´s da sicher auch noch mehr schöne Sachen. Bei der Trockenheit ist die Fläche aber leider wieder nur ein Posten mehr auf der „Da-müsste-man-noch-mal-hin-Liste“.

Weiter ging´s Richtung „Burgstall“, ein nach Nordost exponierter, eher feuchter Hang. Hier war Wolliger Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus) zu finden und auch – zunächst unterhalb des Weges – eine Kolonie Spitzwegerich-ähnlicher Grasblätter: die Wimper-Segge (Carex pilosa), die hier bisher gar nicht, auch nicht in der Umgebung des Baulandes gefunden wurde. Der nächstgelegene Fundort liegt, gleichermaßen isoliert, sieben Messtischblätter weiter südwestlich am Nordrand des Schwarzwaldes. Nun neigen Seggen nicht gerade zur Bildung adventiver Ansiedelungen, vielmehr sind weiträumig isolierte Kolonien am Arealrand bei vielen Arten bekannt. An der talseitigen Wegböschung ist ein Vorkom­men aber allemal verdächtig. Viele Waldwege kann man schließlich als Kleindeponien auffassen. Wenig weiter setzt sich die Kolonie aber auch oberhalb der Wegböschung in augenscheinlich wenig beeinträchtigtem Kleebwald fort. Da muss man also wirklich noch mal hin! Zurück ging es dann durch die Aue, wo Meszmer (loc. cit.) noch eine große Kolonie des Breitblättrigen Knabenkrauts fand. Völlig ausschließen möchte man die Persistenz des Vorkommens anhand der vorgefundenen Indizien nicht. Carex acutiformis und C. disticha weisen auf einen Feuchtwiesen-Standort hin. Damit hätte man schon drei Gründe, noch mal hinzugehen. Die Nachmittagsexkursion zog uns in ein anders „Weißes Loch“ ca. 10 km weiter nordöstlich, nämlich ins schöne Örtchen Hirschlanden im Quadrant 6523/1 mit seinen bisher stattlichen 12 bekannten Arten. Da sollten wir doch zumindest noch eine Null daran bekommen – so war´s dann auch (233 Arten). Allerdings ist auch hier eher hängegeblieben, dass die Ecke ganz unterschätzt ist und ein Frühjahrs-Besuch, abseits einer Rekord­dürre sicher noch viel ergiebiger gewesen wäre. Grundlage dafür sind in erster Linie die schönen Streuobstwiesen v. a. im Süden des Ortes. Die Obstbäume stehen, zumindest soweit wir das gesehen haben, in artenreichen Kalk-Magerwiesen voller Rosetten vielversprechender Magerkeitszeiger, wie Cirsium acaulon, Carex flacca und Trifolium medium. Auch die Säume am Waldrand sind interessant.

 

Sonntag, 20. September: Naturraum; Nördliche Oberrheinebene; Baden-Württemberg; Mannheim; 6516/22; Mannheim, „Innenstadt“, SW; Innenstadtkartierung, Ruderalvegetation; Treffpunkt: 10:00; Paradeplatz; N 49,48708°  O 8,46638°.

Die Mannheim-Innenstadt-Exkursion gehört seit Jahren zum festen Programm der Regionalgruppe Kurpfalz. Sie findet immer am dritten Sonntag im September statt und führt in jährlich im Uhrzeigersinn wechselnde „Quadranten“ der praktischerweise ihrerseits nach Quadraten gegliederten Innenstadt. Die Grenzen unserer (nicht ganz gleich zuge­schnittenen) Quadranten sind dabei in NW-SO-Richtung die „Planken“ und in SW-NO-Richtung die „Kurpfalzstraße“. Ziel ist letztlich der lang­jährige Vergleich der qualitativen Florentwicklung an solchen ultraurbanen Lebensräumen. 2020 war der SW-Quadrant Ziel der Exkursion. Methodik ist auch hier die eines „Random Meander“ von Baumscheibe zu Blumen­kübel, von Park zu Parkplatz. Und auch in den Pflasterfugen, am Gebäudesockel und den schmalen Rasenstreifen vor den Wohnblöcken findet sich etwas Spontanvegetation. Situationstypische Nitratimmis­sionen und hohe Störungsfrequenz moderieren das Artenspektrum. Die besondere Wärmegunst tut ihr Übriges, so dass viele, oft auch sonst seltene Sommerannuelle, zu finden sind.

Die Familien der Fuchsschwanzgewächse und der Nachtschatten­gewächse sind besonders prominent vertreten. So bildet z.B. der Sarracha-Nachtschatten (Solanum sarrachoides) im Umfeld des Schlos­ses große Bestände. In der Nähe der alten Sternwarte fanden wir nach Jahren auch wieder ein kräftiges Einzelexemplar des Schneeballblättrigen Gänsefuß (Chenopodium opulifolium). Eine Art, die sich mittlerweile unauffällig wohl fast überall in trockenen Ruderalfluren angesiedelt hat, ist das Kurzfrüchtige Weidenröschen (Epilobium brachycarpum), ein Neophyt aus Nordamerika, der Ende der 1990er Jahre erstmals in der Rhein-Neckar-Region festgestellt wurde. Wir fanden die Art unter anderem auf dem Schillerplatz (B3). Ansonsten waren die floristischen Verhältnisse erwartungsgemäß eher unaufregend. Insgesamt zeichnet sich anscheinend auch im Innenstadtbereich das Bild ab, das wir aus der übrigen Landschaft finden: Es gibt einerseits ausbreitungsfreudige und entsprechend weit verbreitete Generalisten und andererseits konservative „Stubenhocker“, die die Ausbreitungswiderstände in der stark fragmen­tierten Nischen-Landschaft nicht zu überwinden vermögen. Durch die hohen Widerstände in der Innenstadt wird dieses Muster auch auf dieser kleinen räumlichen Skala bemerkbar.

Zur Abrundung des Exkursionstages geht es dann immer noch in ein anderes Gebiet, etwa um die berühmte Adventivflora der Häfen und Umschlagplätze zu untersuchen. Aktuell sind aber besonders die riesigen Baustellen der aufgegebenen Militärquartiere im Norden der Stadt von Interesse. Hier wird viel gewühlt und transportiert, und dabei auch so manche ungewöhnliche Art aufgescheucht und zu unerwarteter Entwick­lung verholfen. Die großen Rohbodenflächen sind ideale Ansiedelungs- und Ausbreitungsflächen für so ziemlich alles was kommt – in der Sprache der Populations-Biologie sozusagen „Super Safe Sites“. Bei zurückliegenden Exkursionen (2018) fanden wir z.B. auf der Vogelstang das ungewöhnliche Fallsamengras Sporobolus vaginiflorus, wohl ein Vermächtnis der dort stationierten Amerikaner. 2020 hatten wir uns das ehemalige US-Army-Quartier Benjamin-Franklin-Village bei Käfertal vorgenommen. Dort gibt es neben den Baustellen auch Relikte der Altlandschaft, nämlich lichte Kiefern- und Stieleichen-Haine und Reste der typischen Sandvegetation. Leider behinderte die extreme Trockenheit eine vertiefte Beschäftigung mit der Flora. Viele Solanaceen-Arten, Epilobium brachycarpum, Fuchsschwänze und Gänsefüßler waren aber auch da. Immerhin: Strukturen waren gut zu erkennen. Im Unterwuchs der Haine dominieren recht konsolidierte Schafschwingel-Rasen, wobei der sonst verbreiteten Hart-Schafschwingel (Festuca lemanii) gegenüber dem (vermutlich) am Oberrhein endemischen und seltenen Tomans-Schafschwingel (F. albensis = F. tomanii) stark zurück tritt. Überhaupt scheint hier eine der größten Populationen dieser seltenen Art in Baden-Württemberg zu bestehen, die früher (vor 2015) für F. duvalii oder (noch früher) für F. pallens gehalten wurde (Korneck, D., & Gregor, T. (2015) Festuca tomanii sp. nov., ein Dünen-Schwingel des nördlichen

Oberrhein-, des mittleren Main- und des böhmischen Elbetales (Kochia, 9, 37-58). Nähere Untersuchungen im Frühjahr sind jedenfalls schon gebucht.


Aufruf zur Erfassung der Acker-Begleitflora in Baden-Württemberg

von MARKUS KOCH und LAURA KELLERMANN (Projekt  AgroBioDiv, Universität Heidelberg)

 

Zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft wurde von der Landesregierung Baden-Württemberg das über das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) geförderte Forschungs­programm „Ökologischer Landbau“ ins Leben gerufen. Die Agrarland­schaft bietet nach wie vor eine große Chance für einen Landschaftraum, einer großen Vielfalt von Pflanzen und Insekten ihren Raum zu geben. Daher untersucht das Projekt AgroBioDiv (Universität Heidelberg), inwiefern ein ökologischer Landbau, der auch auf sogenannte „Öko­sorten“ bei der Kulturpflanzenwahl setzt, zum Schutz der Biodiversität in der Agrarlandschaft beitragen kann.

Die Botanische Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland ist ein wichtiger und tragender Kooperationspartner mit großer floristischer Erfahrung, und wir sind auf eine besondere Form von Mitarbeit und Bürgerwissenschaft angewiesen, um in dem Projekt erfolgreich sein zu können.

Ziel ist es, die biologische Vielfalt auf ausgesuchten Anbauflächen und hier insbesondere auf Getreidefeldern mit dem Schwerpunkt der Acker­begleitflora zu erfassen. Die erhobenen lokalen Daten sollen zum einem im Kontext der landesweiten floristischen Vielfalt untersucht werden (Flora Baden-Württemberg). Zum anderen werden Flächen von ökologisch wirtschaftenden Betrieben mit konventionell bewirtschafteten, sowie mit verschiedenen Zwischenformen verglichen.

Die beteiligten Landwirte und die in der Vegetationsperiode Frühjahr/Sommer 2021 zu kartierenden Flächen verteilen sich auf ganz Baden-Württemberg. Dieser erste Kartierungsdurchgang wird vor allem ökologisch arbeitende Betriebe erfassen, sodass wir von einer spannen­den Ackerbegleitflora ausgehen dürfen. Die ausgesuchten Getreideäcker sollen möglichst umfassend qualitativ und quantitativ in Bezug auf die Ackerbegleitflora und im Austausch mit den Landwirten erfasst werden.

Die Daten finden natürlich auch Einzug in die Datenbank der Flora Baden-Württemberg am Naturkundemuseum in Stuttgart.

Einen Überblick über die grobe Lage der derzeitigen Unter­suchungsgebiete finden Sie auf der Website des Projektes: https://oekolandbauforschung-bw.uni-hohenheim.de/agrobiodiv_aktuelles.

 

Wir würden uns sehr über Ihre Mitarbeit bei diesem spannenden Projekt freuen! Bitte melden Sie sich bei Interesse per E-Mail unter agrobiodiv@cos.uni-heidelberg.de oder laura.kellermann@cos.uni-heidelberg.de oder telefonisch unter +49 6221 / 54 4619.